Die Entdeckung der Landschaft - Einführung in eine neue Wissenschaft
Mittelmeer verbreitet sind, weil sie über den Handel bereits in antiker Zeit ausgetauscht und überallhin gebracht wurden.
Im Lauf der Zeit erwarben Staatswesen in Griechenland Kolonien, vor allem am Schwarzen Meer, auf Sizilien und in Süditalien, auch in Südfrankreich. Dort entstanden ebenfalls dauerhafte Siedlungen, die von permanent bewirtschafteten Agrarflächen umgeben waren. Von den Kolonien aus konnte die Versorgung der alten Herrschaftszentren verbessert werden. Sie lagen alle so weit von den Ursprungssiedlungen entfernt, dass sie nicht von dem gleichen Kaltluftvorstoß erreicht werden konnten. Daher gab es immer zumindest einzelne Kolonien, an denen die für die Versorgung wichtigen Kulturpflanzen ohne witterungsbedingte Einbußen heranreiften.
In den letzten Jahrhunderten vor Christi Geburt verschob sich das Zentrum der Macht antiker Kulturen mehr und mehr nach Rom. Auch die «Ewige Stadt» (mit dieser Metapher wird zum Ausdruck gebracht, dass ihr langes Bestehen als etwas Besonderes aufgefasst wurde), war von einer fruchtbaren Ebene (Latium) umgeben, und sie lag in der Nähe eines Hafens (Ostia).
In ihrem Bemühen, ihr eigenes Staatswesen gegenüber Witterungsunbilden abzusichern, gründeten die Römer immer neue Kolonien, die in die Infrastruktur der Verkehrswege auf dem Mittelmeer eingefügt wurden. Aber auch das Binnenland wurde dichter besiedelt und intensiver genutzt, beispielsweise dadurch, dass Bürger und ehemalige Militärs von Villen aus Land bewirtschafteten. Landwege wurden in das Netz der Verkehrsinfrastruktur aufgenommen: Wo man keine Flüsse mit Booten befahren konnte, bauten die Römer Straßen, mit denen sie Regionen weiträumig erschlossen, zunächst in Italien, dann auch in anderen Gebieten.
Bei ihrem Vordringen in neue Regionen kam es zu Konflikten, und zwar immer weniger zwischen den Stadtkulturen, sondern immer mehr zwischen Staaten am Mittelmeer und «Nichtstaaten» in den sich nördlich anschließenden Gebieten. Dort lebten Menschen, die nicht in eine übergreifende Infrastruktur eingebunden waren und ihre Siedlungs- und Wirtschaftsflächen immer noch von Zeit zu Zeit verlagerten. Allerdings hatten sie das Areal, in dem sie siedelten, im Lauf der Jahrhunderte immer weiter ausgedehnt; gerade im ersten Jahrtausend vor Chr. waren sie auch in Gebiete mit steinigeren Böden vorgedrungen, in denen die Bedingungen für Landwirtschaft weniger gut waren als in den Kernregionen der Besiedlung.
Zwischen den in Staaten integrierten Römern und den «Barbaren», die außerhalb der Zivilisation lebten, kam es zu Missverständnissen: Beide Seiten kannten die Bedingungen nicht, unter denen die anderen lebten. Unzivilisierte, «Wilde» wurden unterworfen und in die Bedingungen des neuen Landnutzungssystems mit seiner Infrastruktur hineingezwungen. «Wandernde Völker», die vielleicht mit dieser Metapher nur deswegen beschrieben wurden, weil sie einen neuen Siedelplatz aufsuchen wollten, wurdenals Eindringlinge in zivilisierte Regionen aufgefasst. Die «Nichtstaatlichkeit» oder «Unzivilisation» der Menschen aus Gebieten ohne Infrastruktur wurde von den in die Zivilisation integrierten Menschen für bedrohlich gehalten. Auf der anderen Seite verstanden die Menschen, die weiterhin ohne Infrastruktur lebten, nicht, dass die Übernahme der neuen Lebensweise ihnen Vorteile bringen konnte. Dabei hätten die Vorteile auf der Hand liegen können: Mit einer Infrastruktur konnten die Lebensbedingungen erneut verbessert werden, es gab seltener Hunger, die Lebenserwartung stieg, mehr Kinder überlebten, so dass ein weiteres Wachstum menschlicher Populationen einsetzen konnte. Auch stieg die Menge an Besitz oder gar an Reichtum an, wenn man innerhalb eines Staates lebte.
Resultat des gegenseitigen Missverstehens waren militärische Auseinandersetzungen, die als Kriege zwischen Nationen gedeutet wurden, aber eigentlich Auseinandersetzungen zwischen Systemen von Lebensformen waren. Das Gebiet des römischen Imperiums breitete sich schließlich nach Norden aus. Besonders leicht möglich war dies an den Westküsten Europas, die auf Wasserwegen in eine Infrastruktur zu integrieren waren: die französischen Küsten, das Rheinmündungsgebiet, von dort aus auch Teile der Küsten an der Nordsee, die Britischen Inseln. Die großen Flüsse Westeuropas wurden zu weiteren Handelswegen, vor allem Rhone und Rhein sowie deren Nebenflüsse. In den fruchtbaren Lößgebieten Mitteleuropas entstanden unter römischem
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