Die Entdeckung der Landschaft - Einführung in eine neue Wissenschaft
Staaten am östlichen Mittelmeer und in Europa
Weil innerhalb der frühen Zivilisationen mit ihrer Regulierung des Anbaus von Kulturpflanzen die Bevölkerungsdichte zunahm, breiteten sich staatliche Strukturen auch in andere Gegenden aus, zuerst wohl nach Ägypten, wo am Nil eine ähnliche Bewässerungslandwirtschaft betrieben werden konnte wie an Euphrat und Tigris. Anders als im Zweistromland musste man die Landwirtschaft an den Zeiten des Nilhochwassers ausrichten, das regelmäßig eintrat, dann nämlich, wenn in den tropischen Gebieten an den Oberläufen des Nils Regenzeit herrschte.
Im Lauf der folgenden Jahrtausende, etwa bis in die Zeit um Christi Geburt, breiteten sich Stadtkulturen mit ortsfesten Siedlungen von Ost nach West fortschreitend am gesamten Mittelmeer aus: auf Zypern und Kreta, auf kleineren griechischen Inseln, in den Küstenebenen an Flussmündungen des griechischen Festlandes, auf Sizilien und in Süditalien, dann in Norditalien, ebenfalls vor allem in den Küstenebenen. Die größte dieser Ebenen ist die Poebene, die dort, wo trockenes Land genutzt werden konnte, in das Gebiet der Stadtkulturen einbezogen wurde. Auch in den Küstenregionen des westlichen Mittelmeerraumes, auf Sardinien und Korsika, im Süden Frankreichs, in Nordafrika und an den Küsten der Iberischen Halbinsel entstanden dauerhafte Siedlungen. Bis zum ersten vorchristlichen Jahrtausend waren die permanent besiedelten und beackerten Areale klein. In ihrer Mitte lagen die Städte, die mit Produkten von ständig beackerten Flächen versorgt wurden. Von den Städten aus wurden die Küstenebenen beherrscht, etwa die Argolis von Mykene und Tiryns aus
(Abb. 13–2),
Attika von Athen und die Eurotas-Ebene von Sparta. Die Landwirtschaft konnte sich nicht in die weitere Umgebung ausdehnen, denn dort ragten schroffe und karge Bergländer auf. Die Viehhalter in den Bergen wurden nicht vollständig in staatliche Infrastrukturen integriert. Sie mussten nämlich weiterhin mobilbleiben und siedelten sich daher nicht dauerhaft an bestimmten Plätzen an. Sie hatten nun einerseits zu den Menschen in dauerhaft besiedelten Küstenregionen, andererseits zu Menschen im Hinterland Kontakt, die Landnutzung ohne Infrastruktur betrieben und von Zeit zu Zeit ihre Siedlungen und Wirtschaftsflächen verlagerten.
Abb. 13-2 Blick über Argos und die Argolis, eine früh dauerhaft besiedelte Küstenebene auf der Peloponnes.
Zu allen Staatswesen der Küstenebenen am Mittelmeer gehörten Häfen. Von dort gingen Handelsbeziehungen aus, die zunächst vor allem die Siedlungszentren des östlichen Mittelmeeres, später dann des gesamten Meeres miteinander verbanden. In dieses Handelsnetz waren auch beispielsweise das Nilmündungsgebiet, andere Küstenregionen in Nordafrika und die Levante einbezogen. Je besser das Handelsnetz funktionierte, desto besser waren auch die Lebensbedingungen in den Küstenebenen rings um das Mittelmeer gesichert. Prinzipiell waren überall ähnliche Güter verfügbar: Korn, Oliven und das daraus hergestellte Öl, Wein, Gewürze,Holz, Bodenschätze. In der einen Küstenebene gab es in dem einen Jahr einen Überschuss, in der anderen herrschte Mangel, etwa weil es lokal zu einem der am Mittelmeer gefürchteten Kaltluftvorstöße aus dem Norden gekommen war: Sie zerstören auch heute immer wieder frostempfindliche Pflanzen. Aber sie tun das nicht im gesamten Mittelmeergebiet, sondern in der Regel nur in einzelnen Teilen davon, entweder in Südfrankreich oder Italien, in Griechenland oder dem Schwarzmeergebiet, jedenfalls nicht in allen diesen Gebieten zur gleichen Zeit.
Durch Handel gewann man Sicherheit: Man konnte Güter von einem Ort des Überschusses zu einem Ort des Mangels bringen. Lange Zeit bestehende Handelsbeziehungen hatten zur Folge, dass viele nutzbare Pflanzen schon frühzeitig an sämtliche Küsten des Mittelmeerraumes gelangten, beispielsweise der Ölbaum, der ursprünglich nicht überall am Mittelmeer gewachsen war. Durch den intensiven Austausch von Pflanzen wurde der Charakter mediterraner Landschaften aneinander angenähert. Überall, wo ein mediterranes Klima mit winterlichem Regen und sommerlicher Trockenheit und nur gelegentlichen Kaltluftvorstößen herrscht, wuchsen schließlich die gleichen Pflanzen: Ölbäume, Zypressen, Pinien, Feigen, Pistazien usw. Nicht alle diese Gewächse sind Überreste einer natürlichen Vegetation, vielmehr handelt es sich um Landschaftsbestandteile, die deswegen überall am
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