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Die Entdeckung der Landschaft - Einführung in eine neue Wissenschaft

Die Entdeckung der Landschaft - Einführung in eine neue Wissenschaft

Titel: Die Entdeckung der Landschaft - Einführung in eine neue Wissenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Infrastruktur dadurch, dass keine dauerhaften Siedlungen und stabilen Straßenverläufe entstanden, nur unregelmäßig geformte Felder angelegt wurden und sehr häufig Sekundärsukzessionen abliefen, weil Siedlungen und Wirtschaftsflächen aufgegeben wurden. Obwohl dieses Landnutzungssystem jahrtausendelang erfolgreich bestanden hat – in vielen Teilen Europas mehr als 6000 Jahre lang –, gibt es keinen klaren Begriff dafür. Aus dem Blickwinkel der Zivilisation bezeichnet man Menschen, die nicht in Infrastrukturen eingebunden waren und nicht permanent bestehende Siedlungen bewohnten, als «Unzivilisierte», «Wilde», «Barbaren», in neuerer Diktion auch als «Indigene Völker». Keinen Unterschied machte man hingegen zwischen Jägern und Sammlern auf der einen sowie Ackerbauern und Viehhaltern ohne feste Siedlungen auf der anderen Seite, obwohl beider Lebensweisen und die Landschaften, die sich unter ihrem Einfluss herausbildeten, in Wirklichkeit keineswegs übereinstimmen.
    Werden Siedlungen und Ackerflächen von Zeit zu Zeit verlagert, ist das keineswegs immer Wanderfeldbau. Denn mit dem Begriff Wanderfeldbau ist die Vorstellung tropischer Brandrodungswirtschaft verbunden, die sich in wichtigen Punkten von der oben beschriebenen Wirtschaftsform in den gemäßigten Zonen unterscheidet. Ein mutmaßlich weiterer wichtiger Unterschied kommthinzu: Ganz so kurzfristig wie in den Tropen, also nur wenige Jahre, scheinen die Siedlungen der gemäßigten Zonen nicht bestanden zu haben.
    Eine
longue durée
von Elementen, die die Jahrtausende überdauerten, erreichten neben einzelnen, auch oberirdisch sichtbaren Geländedenkmalen (Tellsiedlungen im Nahen Osten, megalithische Anlagen, Grabhügel, Wälle und als Burgen bezeichnete Siedlungen der Metallzeit) vor allem Funde und Befunde, die Archäologen an zahlreichen Orten im Boden finden konnten. An vielen Siedlungsplätzen befinden sich immer noch mehr Mineralstoffe im Boden als andernorts; man kann sie durch bodenanalytische Methoden nachweisen.
    Die Grundmuster der Besiedlung in früheren Waldlandschaften wurden festgelegt, als Siedlungen noch keine völlige Stabilität erlangt hatten. Sie blieben in späterer Zeit bestehen: Auch unter dem Einfluss folgender Landnutzungssysteme bestanden ländliche Siedlungen in Ökotopengrenzlage zwischen Ackerbau- und Weideflächen. Folge einer nicht dauerhaften Besiedlung waren häufige Sekundärsukzessionen, in deren Verlauf sich neue Pflanzen und sogar neue Formen von Vegetation etablieren konnten, unter anderem Buchenwälder in weiten Teilen Europas. Die Buchenausbreitung von den Alpen bis ins südliche Skandinavien dauerte so lange an, wie Siedlungen gegründet und wieder aufgegeben wurden, nämlich von etwa 5000 vor Chr. bis etwa 1000 nach Chr. Durch die an wechselnden Orten betriebene Landwirtschaft wurden einige Unkräuter etabliert; andere Gewächse, die zuvor nur an wenigen Stellen vorgekommen waren, wurden häufiger. Ebenfalls nahm die Zahl der Tiere zu, die sich als Nahrungskonkurrenten der Menschen von Getreide und anderen Kulturpflanzen ernährten.
    Darüber hinaus hielten sich zahlreiche Metaphern, die mit Menschen außerhalb der Zivilisation verbunden sind. Dabei war es, wie schon gesagt, ziemlich unerheblich, ob sie ihren Lebensunterhalt als Jäger und Sammler oder als Bauern gewannen. Alle diese Menschen «wanderten»; einige von ihnen wurden aus antiker Sicht als «Ionier» bezeichnet, was nichts anderes als «Geher» oder«Wandernde» bedeutet. Im Bewusstsein von Zivilisationen kam es auch zu «Völkerwanderungen» außerhalb der Zivilisation. Aus den Auseinandersetzungen zwischen Zivilisationen und «Nicht-zivilisationen» erwuchsen Mythen der Entstehung von Nationen, etwa von Römern und Germanen; letztere lebten, Tacitus zufolge, in Wäldern. Dieses Urteil wirkte sich auf die Herausbildung des besonderen Verhältnisses zwischen den Deutschen und dem Wald aus; es begünstigte die Aufforstung im Deutschland des 18. und 19. Jahrhunderts. Urteile über Menschen, die außerhalb der Zivilisation standen, lebten auch dann noch fort, als die Akkulturation der vormals Unzivilisierten längst vollzogen war.

13 Landnutzung innerhalb von Staaten
Erste Staaten im Nahen Osten
    Ebenso wie der Ackerbau, dessen Tradition in Europa aufgegriffen wurde, entstanden auch die ersten dauerhaften Siedlungen im Nahen Osten, aber nicht in den vorderasiatischen Gebirgen, sondern in deren Nachbarschaft, an den großen Strömen Euphrat

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