Die Entdeckung der Landschaft - Einführung in eine neue Wissenschaft
keinen Flurzwang. Jeder Bauer bewirtschaftete individuell Land vor und hinter seinem an der Straße gelegenen Gehöft. Eine Dreifelderwirtschaft bestand auch dort nicht, wo keine großen Dörfer gebildet wurden, sondern weiterhin kleine Weiler oder Einzelhöfe bestanden, beispielsweise in weiten Teilen Skandinaviens, auf den Britischen Inseln oder in Südeuropa.
In armen Sandgebieten, die aus ehemaligen Gletscherablagerungen hervorgegangen waren, gab es die Eschwirtschaft: Auf großen Feldern, die man Kamp nannte, konnte man jedes Jahr die gleiche Kulturpflanze, beispielsweise Roggen, anbauen, wenn man mit Plaggen düngte. Plaggen bestanden aus dem Oberboden vonHeideflächen; sie wurden in der Heide geschlagen und anschließend als Einstreu im Stall verwendet. Während eines Winters wurden die Plaggen mit tierischen Fäkalien vermengt und im Frühjahr auf die Felder aufgetragen. Die Felder wurden gedüngt und zugleich aufgehöht; eine Eschflur konnte im Lauf der Jahre um viele Dezimeter höher werden. Die Eschwirtschaft bewahrte die Fruchtbarkeit der Äcker, führte aber zur erheblichen Bodenverarmung der außerhalb der Markung gelegenen Heideflächen. Dort freigelegter Sand konnte vom Wind verweht werden, so dass Dünen entstanden.
Abb. 13-12 Eingedeichtes Land an der Nordseeküste, Koog oder Polder genannt, liefert reiche Ackererträge. Beim Abtrocknen sackte es zusammen. Daher liegt die Polderoberfläche (rechts) unterhalb des Meeresspiegels (links).
Vor allem in Gegenden mit armen steinigen Böden entwickelten sich verschiedene Formen einer Wald-Feld-Wechselwirtschaft, für die es vielleicht Vorläufer in Bergbaugebieten der Eisenzeit gegeben hatte, vor allem in einigen Gebirgen sowie in Skandinavien und Finnland. Ihnen allen gemeinsam ist die Gewinnung von größerenHolzstücken, während das Kleinholz an Ort und Stelle verbrannt wurde, damit die Asche den Boden düngte. Das war in Laubwaldgebieten nicht immer einfach, weil frisches Laubholz schwer entflammbar ist. Man musste es zunächst trocknen. In einigen Gegenden zerrte man getrocknete und entzündete Brombeerranken steile Hänge hinunter. Anschließend wurde für einige Jahre Ackerbau bzw. Weidewirtschaft betrieben, ehe man das Holz wieder in die Höhe wachsen ließ. Brandrodung erfolgte an Rütten oder Reuten; solche Reutberge gab es an zahlreichen Steilhängen des Alpenraums, auch im Schwarzwald. Birkenberge bewirtschaftete man in ähnlicher Weise im Bayerischen Wald; in der Eifel war die Schiffelwirtschaft verbreitet, im Siegerland die Haubergswirtschaft.
Im Gegensatz zu den eher dürftigen Erträgen dieser Wirtschaftsformen auf armen Böden ließen sich an der Nordseeküste erhebliche Erträge erzielen. Zunächst waren dort erneut Wurten oder Warften besiedelt worden, als es wieder eine Infrastruktur gab, über die Holz in die Marschen im Tausch gegen tierische Produkte geliefert werden konnte. Man begann dort aber auch, Ackerbau zu treiben, und zwar vor allem nachdem man Deiche als Schutzwälle gegen die Fluten errichtet hatte. Frühere Fluten hatten auf den Flächen reichlich Mineralstoffe hinterlassen, die ein üppiges Wachstum von Kulturpflanzen zuließen, sobald das Meersalz aus den Böden gewaschen war. Dies war rasch der Fall, so dass die Marschbauern in eingedeichten Flächen, den Kögen oder Poldern, reiche Ernten einbrachten. In einer beispiellosen gemeinsamen Anstrengung gelang es den Marschbauern an der Nordseeküste im 13. Jahrhundert, den «Ring» der Deiche zu schließen, und zwar vom Rheinmündungsgebiet bis zum heute dänischen Teil Jütlands mit seinen Steilküsten
(Abb. 13–12)
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Allerdings erwuchsen neue Probleme aus der Eindeichung: Man musste Regenwasser aus den Poldern ableiten; dafür konstruierte man Siele im Deich, die sich bei Niedrigwasser des Meeres öffneten, von hohen Fluten aber zugedrückt wurden. [126] An den Sielen lief viel Wasser ab; dort konnte man Häfen anlegen, so dass die Marschen an den Handel angebunden blieben. [127] Schwierigerwurde der Umgang mit hohen Fluten, die gegen die damals noch nicht sehr stabilen Deiche drückten und diese brechen ließen. Hochwasser wirkte sich besonders verheerend aus, wenn das eingedeichte Land zusammengesackt und die Landoberfläche unter den Meeresspiegel abgesunken war. Immer wieder kam es zu Katastrophen, von denen allerdings diejenigen Siedler weniger gefährdet waren, deren Häuser auch im eingedeichten Land auf Warften standen. Deiche mussten erneuert werden,
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