Die Entdeckung der Landschaft - Einführung in eine neue Wissenschaft
Gefälle der Flüsse nicht reichte, baute man auch hier Dämme und Wehre, um Wasser zu stauen: In Hamburg wandelte sich das Flüsschen Alster zu einem großen See, der heute in die Stadtanlage integriert ist
(Abb. 13–15)
. Der Wasserspiegel bestehender Seen wurde um bis zu mehrere Meter angehoben, um deren Gefälle zu nutzen. In Stockholm wurde sogar ein ganzer Meeresarm von der Ostsee abgeschnitten, um ihn für den Betrieb der Stockholmer Mühlen zu nutzen: So entstand der Mälarsee. [130] Auch in städtischen Mühlen wurde Bewohnern der Umgebung das Mahlen von Korn als Dienstleistung angeboten. Ferner sägte man in Mühlen Holz, betrieb Pochwerke, in denen Erz zerkleinert wurde, oder stellte Pulver aus Gewürzen her.
Städte mussten in der Nähe der Mühlen liegen, und die Mühlen sollten sogar möglichst in die Stadt einbezogen sein, damit auch im Fall einer Belagerung täglich Getreide zur Versorgung der Bevölkerung gemahlen werden konnte. In einigen Städten entwickelten sich Mühlenstandorte aus früheren Anlagen von Fischwehren.Der Brandgefahr versuchte man durch den Bau von Steinhäusern zu begegnen. Mühlen wurden zu gewerblichen Herzen der Städte; aus manchen Mühlen gingen in späterer Zeit Industriebetriebe hervor.
Abb. 13-15 In Hamburg wurde die Alster aufgestaut, um Wassermühlen betreiben zu können. Binnen- und Außenalster wurden später durch Festungsanlagen getrennt, über die heute Straßen und die Bahnlinie verlaufen.
Die Wasserwege hatten auch Bedeutung für die Versorgung der Städte mit Holz, das auf Flüssen in Form von einzelnen Stämmen getriftet oder zu Flößen gebunden transportiert wurde. Auf schiffbaren Flüssen wurden zahlreiche weitere Güter befördert, die für die Stadtbewohner wichtig waren. Mit Wasser wurden Fäkalien und andere Abfallstoffe aus der Stadt gespült.
Bei der planmäßigen Gründung von Städten wurde möglichst darauf geachtet, die Kirchen optimal in den Stadtgrundriss einzupassen. Mittelalterliche Kirchen sind so gut wie immer von West nach Ost ausgerichtet. Günstig war es daher, wenn die Hauptstraßen ebenfalls von West nach Ost oder genau von Nord nach Südausgerichtet waren. In dem einen Fall führten sie parallel am Kirchenschiff entlang, im anderen verliefen sie im rechten Winkel zum Kirchenbau. Nur wenige Orte boten optimale Voraussetzungen für den Bau von Städten, in denen sowohl die Lage am Wasser gegeben war wie auch die genaue Ausrichtung der Straßen in Abhängigkeit von den Kirchen möglich wurde. Magdeburg entstand an der weit und breit einzigen Stelle an der Elbe, an der eine Stadt genau von Nord nach Süd ausgerichtet sein konnte, Lemgo an der einzigen Stelle, an der eine Stadt an dem Flüsschen Bega genau von Ost nach West orientiert sein konnte.
Städte wurden mit Abgaben aus dem ländlichen Umfeld versorgt, für deren Eintreibung der Grundherr sorgte. Im Rahmen eines ausgeklügelten Lehnswesens mussten die Bauern einen Teil ihrer Ernte abgeben, den man als «Zehnten» bezeichnete. Den zehnten Teil einer Ernte bildete er aber wohl nur im Idealfall; manche Grundherren erhöhten ihn. Die Abgaben wurden von den Bauern ebenso wie der Flurzwang oft als Repression empfunden. Für die Entwicklung der Städte als Zentren von Verwaltung und Handel, Bildung und Kirche hatten Abgaben aus dem ländlichen Umfeld aber erhebliche Bedeutung. Vor allem die städtische Bevölkerung wuchs rasch an, weil die Städte viele Verdienstmöglichkeiten erschlossen und rechtlose, abhängige Bauern dort zu freien Bürgern werden konnten. Doch die Agglomeration zahlreicher Menschen führte auch zur Ausbreitung von Seuchen.
Einige Städte wurden im Lauf des Mittelalters oder der frühen Neuzeit zu Residenzen. Dort lässt sich aus der Betrachtung der Stadttopographie eine interessante Entwicklung nachzeichnen: Zunächst wurde Wasser gestaut, um ein Fischwehr zu errichten und eine Mühle zu betreiben. Diese Anlagen befanden sich stets am Rand einer Stadt, sofern diese nur an einem Ufer des genutzten Flusses oder Baches lag. Die Betreiber der Mühlen kamen zu Kapital und errichteten repräsentative Gebäude. Diese gelangten später in den Besitz von Adels- oder Herrschergeschlechtern; sie wurden repräsentativ umgebaut, oder es entstanden Schlösser anstelle älterer Anwesen. Die Herrscher, die auf diese Weise ihre Residenzen in die Städte verlagerten, behielten oft die Namen derBurgen, von denen sie stammten: die Herren von Anhalt in Dessau, Calenberger in
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