Die Entdeckung der Langsamkeit
Steuergesetzgebung
direkt von den Ergebnissen der Statistik her entwerfen.
Die Unterhaltung war nicht recht flüssig. Franklin muÃte immer
wieder bremsen, um verstehen zu können. Babbage war ungeduldig, jähzornig und
massiv. Er liebte weder Frauen noch Kinder, noch sonst etwas auf der Welt, nur
seine Ideen. Franklin dachte nach und starrte auf die altertümlichen Kniehosen
des Mathematikers, um einen Halt zu finden gegenüber soviel Fortschritt. Er
selbst, immerhin, trug schon die neuen, langen Röhren, und den Zweispitz nicht
mehr quer, sondern, wie es Mode war, in Marschrichtung.
Wenn Franklin etwas begriffen hatte, verfügte er darüber nach
eigenem Gutdünken. Nein, die Maschine habe Grenzen, sagte er zum Ãrger des Erfinders.
Sie könne stets nur das berechnen, was mit »Führungsfragen«, also aus den
Antworten ja und nein, zu finden sei. Er erzählte von den Eskimos und von der
Unmöglichkeit, durch Alternativfragen Neues von ihnen zu erfahren. »Ihre
Maschine kann nicht staunen und nicht in Verwirrung geraten, also kann sie auch
nichts Fremdes entdecken. Kennen Sie den Maler William Westall?«
Babbage hatte die Frage überhört. »Für einen Seemann denken Sie
reichlich rasch!« sagte er mit dumpfer Stimme.
»Nein, ich denke recht mühsam«, antwortete Franklin, »aber ich höre
nie damit auf. Sie kennen zu wenig Seeleute!«
Sie blieben Freunde. Babbage liebte zwar nur seine Ideen, aber er
interessierte sich hin und wieder auch für Menschen, sofern sie den Mut hatten,
seinen Ideen zu widersprechen.
Franklin verlobte sich mit Jane Griffin. Zunächst vor
allem deshalb, weil sie ausnahmsweise nicht im Ausland war und weil sie ihre
nächste Abreise bereits angekündigt hatte. Aufs Reisen verstand sie sich wie
sonst niemand. Sie kannte alle Kanalsegler mit Namen, sie rechnete die europäischen
Währungen blitzschnell in Pfund und Schilling um. Immer besorgte sie sich
besondere Pässe, die zwischen Calais und Petersburg jeden Beamtenrücken vor ihr
beugten, und sie wuÃte, wie man Zollwaren durch Auflegen einiger
schwersilberner Münzen vollkommen unsichtbar machen konnte. »Du wärst ein guter
Erster Leutnant«, sagte Franklin zu ihr.
Jane beherrschte alles: Gesellschaften, Liebhaber, den Haushalt,
alle Modethemen und den Wechsel der Gesichtsfarbe. Sie war schnell und hatte
dabei auch noch Sinn für Treue. Franklins Freunde sagten: »Jetzt ist seine
Karriere nicht mehr aufzuhalten!«
Beim Sprechen klimperte Jane mit den Augendeckeln und lieà den
linken immer etwas länger geschlossen als den rechten, wodurch etwas
Schalkhaftes in alles hineingeriet, was sie sagte, sogar wenn sie jemandem
kondolierte.
Was Franklin aber am meisten beschäftigte, war ihre Art des Sehens.
Sie konnte eine erstaunliche Menge von gleichzeitigen Erscheinungen aufnehmen,
denn sie vertiefte sich in keine einzige und war daher sofort wieder für die
nächste frei. Aber keine dieser Einzelheiten vergaà sie! Es war, als behielte
sie alles um des Behaltens willen und als baue sie im Kopf im verkleinerten
MaÃstab ein naturgetreues Panorama aus tausend Details auf, die ihr Auge
registriert hatte. So saà sie am liebsten in einer schnellfahrenden Kutsche,
blickte hinaus und fraà die Landschaft in sich hinein mit unerschöpflicher
Ausdauer.
John liebte das Kutschenfahren auch, und obwohl seine Sehweise etwas
anders war, reisten sie gern zusammen.
Der Ruhm wuchs immer noch mehr. Das Bürgertum las die
Expeditionsberichte und schwärmte weiterhin von dem unverzagten Helden der
Eiswüste. Die Dockarbeiter fanden ihn auch so in Ordnung: »Er riskiert seine
Knochen, und andere haben was davon: er ist wie wir!« Sogar der Adel lobte
Franklin: »Das ist altes englisches Holz â auch halb verrottet nicht
auszurotten! Solche Leute können wir überall hinschicken!« sprach in einer
Tischrede Lord Rottenborough.
Franklin wuÃte, wo er hingeschickt werden wollte, und sagte es auch.
Aber seine Aussicht, ein weiteres Forschungskommando zu bekommen, war gering.
Das Interesse an der Nordwestpassage hatte rapide abgenommen, weil sie für den
Handel offensichtlich kaum zu gebrauchen war. »Was wollen Sie noch im Eis?«
fragte der Erste Lord väterlich. »Wir brauchen Sie für wichtigere Aufgaben!«
Was konnte so wichtig sein? Aber vorerst lieÃen die Aufgaben noch auf sich
warten.
Franklin
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