Die Entdeckung des Himmels
dem Zimmer, wir bleiben hier für immer zu dritt, die Familie ist immerhin der Eckpfeiler der Gesellschaft. Nur gut, daß sie in der Partei nicht wissen, wie rechts und kryptochristdemokratisch ich von Natur aus bin.« Die Vorstellung, vermutlich Vater zu werden, begann ihm zu seiner eigenen Verwunderung allmählich zu gefallen, und er kam sich vor wie ein Stubengelehrter, der unverhoffteine Weltreise angeboten bekam. Es würde sein Leben von Grund auf ändern, denn warum sollte es immer so bleiben, wie es war? Sie gab ihm einen Kuß auf die Wange. »Ich hatte Angst, du würdest sagen, wir sollen es wegmachen lassen.«
»Wegmachen lassen?« wiederholte er mit Entsetzen in der Stimme. »Ich mein Kind wegmachen lassen? Ich will höchstens dich wegmachen, aber sicher nicht mein Kind! Einen Quist wegmachen – unglaublich, etwas Schändlicheres habe ich noch nie gehört! Wir werden natürlich heiraten, denn mit einem Brons kann ich nichts anfangen.«
Sie lagen noch immer im Dunkeln, als ob sie sich in dieser neuen Situation noch nicht unter die Augen zu kommen trauten. »Mir ist es egal, wie es heißt. Wenn es nur ein normales und gesundes Kind ist.«
»Gesund, ja, normal, nein. Genetisch scheint mir die Chan -ce übrigens nicht allzu groß. Anormal begabt, mit vielschichtigem Interesse, bildhübsch, das wird sie sein.«
»Sie? Möchtest du, daß es ein Mädchen ist?«
»Ich möchte nichts, aber es steht fest, daß es ein Mädchen wird. Echte Männer bekommen Töchter.« Plötzlich begann er zu stöhnen. »Was ist?« – »Ich denke an die Schande für meine Familie. Das hat es noch nie gegeben, daß ein Quist eine schwangere Frau heiratet, das werden meine Eltern nie verwinden. Vielleicht sollte ich dich ihnen allmählich mal vorstellen.« Er hatte Lust auf eine Zigarette, wollte aber das Licht des Streichholzes nicht sehen. »Weißt du, für wen das auch eine nette Überraschung sein wird?«
»Für Max«, sagte Ada etwas tonlos. In den letzten Tagen war ihr der Gedanke an Max immer wieder gekommen wie ein Fisch, der sein Maul kurz aus dem Wasser eines Weihers streckt, aber sie hatte ihn immer wieder verdrängt; sie wollte vorläufig nur an ihr Kind denken und nicht an den Vater. Onno suchte ihre Hand, und eine Weile lagen sie schweigend nebeneinander. »Wenn ich nun gesagt hätte«, fragte er, »daß wir es wegmachen lassen sollten, hättest du es dann getan?«
»Nicht in hunderttausend Jahren.«
Er drehte sich zu ihr und legte seine andere Hand auf ihren Bauch. »Wie groß wird es jetzt wohl sein? Einen Millimeter? Zwei?«
»So ähnlich wie eine Blase Froschlaich, denke ich. Wie du in dem Alter.«
»Mäßige dich! Ich und eine Blase Froschlaich – du bist wohl verrückt. Ich bin spontan der Fontanelle meiner Mutter entsprungen, in vollem Ornat, mit Schild und Speer, mein Vater wurde ohnmächtig beim Anblick, die Planeten purzelten aus ihren Bahnen, und auf allen Wegen des Herrn waren wundersame Zeichen zu sehen.« Er stützte sich auf einen Ellbogen und fragte in Richtung ihres Gesichts: »Sag mal, ist das alles eigentlich wahr? Was machst du, wenn du morgen deine Periode bekommst?« Während er es sagte, wußte er, daß es auch für ihn eine Enttäuschung wäre. »Ich bekomme meine Periode morgen nicht.«
»Bist du schon beim Gynäkologen gewesen?«
»Noch nicht.«
»Morgen also zum Gynäkologen. Und wenn du nicht schwanger bist, setzt du die Pille ab.« Am Kissen fühlte er, daß sie nickte. »Wann wird es geboren? Als schwangere Frau ist der Mondkalender für dich doch kein Problem.«
»Am achten Juli.«
»Also ist es passiert –«
»In unserer letzten Nacht in Havanna.«
Onno starrte in die Dunkelheit. Im Gegenlicht des Flurs sah er wieder ihren Schatten in der Türöffnung seines Hotelzimmers erscheinen, weit hinter dem Horizont, im versunkenen Kuba. Das größte Wunder war immer noch das Gedächtnis. Wie konnte Max’ Big-Bang-Theorie zum Gedächtnis führen? Zu alldem, was existierte, bis hin zum Big Bang selbst? Zu Maria, die zweimal leicht mit der Hand auf den Platz neben sich geklopft und er wie ein Hündchen ihrem Befehl gehorcht hatte, wehrlos geworden durch Mißverständnisse, das lügnerische Telefongespräch mit Ada und das schreckliche Foto der Leiche auf dem Katafalk. Sie hatte ihn ins Bett gezogen, in dem der Geist des Mannes mit dem Bart und dem großen Hut noch hing, hatte ihn vergewaltigt und dann – vorbei an salutierenden Soldaten – mit dem Auto wieder am Hotel abgeliefert,
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