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Die Entdeckung des Himmels

Die Entdeckung des Himmels

Titel: Die Entdeckung des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Mulisch
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denen ebenso viele Funken entsprechen. Aber wir brauchten auch für jede Kombination jedes Spermatozoons aus jedem Erguß jedes Mannes der Gegenwart, der Vergangenheit und der Zukunft mit jeder Eizelle jeder Frau der Gegenwart, der Vergangenheit und der Zukunft einen Funken.
    Das war nötig, weil auch hier niemand wissen konnte, wann der Mensch etwas erfinden würde, was sein Leben um Hunderte oder Tausende von Jahren verlängert. Es gibt also auch einen Funken für ein ganz bestimmtes Spermatozoon aus einem ganz bestimmten Samenerguß von Julius Cäsar, der mit einer ganz bestimmten Eizelle von Marilyn Monroe hätte verschmelzen können. Und jedes Spermatozoon in den zahllosen Samenergüssen des möglichen Sohnes aus dieser Mesalliance hätte sich folglich mit jeder Eizelle der zahllosen möglichen Töchter von John F. Kennedy und Kleopatra verbinden können, oder die eines beliebigen Steinmetzen unter Cheops mit der einer Toilettenfrau zehntausend Jahre später – und all diese Möglichkeiten und ihre Nachkommen hätten sich wiederum verbinden können mit allen anderen Möglichkeiten und deren Nachkommen in Raum und Zeit, und so weiter und so fort und ohne Ende. So existieren neben den Funken für die Kombinationen aus allen Spermatozoen – die über die Jahrhunderte unentwegt literweise ausgestoßen werden – mit allen Eizellen aus allen Zeiten auch noch die der alternativen, sich hyperunendlich gabelnden und verzweigenden Generationen, die je hätten sein können: Siehe da, der Logos Spermatikos – das Absolut Unendliche Licht!
    Darf ich fragen , ob du mir das alles erzählst , um mir etwas beizubringen?
    Heilig, heilig und nochmals heilig! Ich spreche, weil mir der Gedanke an unser Licht noch immer die Sprache verschlägt.
    Das ehrt dich. Vermutlich willst du nur sagen , daß es viel ist.
    Ja, so kann man es auch formulieren.
    Aber es ist dir ja wohl gelungen.
    Fragen Sie mich nur nicht, wie. Das Dekodieren des Genoms, der vollständige geheime Name des Menschen, ist für diese Schlaumeier jetzt nur noch eine Frage des Geldes, einen Dollar pro Nukleotiden, um genau zu sein, also von drei Milliarden Dollar, und überall auf der Welt wird an diesem Projekt gearbeitet. Mit ihrer Biotechnologie werden sie die genetische Essenz einer bestimmten Eizelle, und damit auch eines bestimmten Zellkerns mit einem Schwänzchen, in absehbarer Zeit viel schneller und einfacher produzieren als wir hier mit unserer romantischen, reichlich altmodischen Züchterei – aber es muß unbedingt vor dem Jahr Zweitausend sein.
    Genau. Und könnte vielleicht auch das etwas damit zu tun haben? Geht dir vielleicht jetzt ein Licht auf? Auch wir haben vor gerade mal fünfundsiebzig Menschenjahren mit Entsetzen festgestellt , wie schnell die technischen Fähigkeiten dort unten zunehmen und was die Menschen damit machen – und zwar nicht nur auf biotechnischem Gebiet , sondern auf allen anderen Gebieten auch. In absehbarer Zeit ist von unserer Organisation nur noch eine Leichenhauskonstruktion übrig , danach wird der Himmel zugeklappt wie ein Buch. Aber erzähl , wie hast du das hingekriegt?
    Trotz aller Probleme sah ich vor siebzig Menschenjahren plötzlich die Möglichkeit, den gewünschten Funken nicht erst in vier, sondern bereits in drei Generationen in Geist und Fleisch zu materialisieren.
    Sieh an. Deine kreativen Fähigkeiten sind größer , als ich dachte.
    Nur, ohne Einbußen würde es nicht gehen. Ich mußte deshalb etwas Schreckliches in die Welt setzen.
    Nämlich?
    Den Ersten Weltkrieg.
    Ja , das ist in der Tat ein Aspekt ein und derselben Sache.
    Es war eben auch dieses sinnlose Abschlachten , das uns dazu brachte , uns zunehmend mehr mit der technologischen Wende der Menschheitsgeschichte auseinanderzusetzen.
    Ich habe diesem Krieg also noch einen Sinn zu geben gewußt. Und zwar wie folgt: Als meine 301 655 722 Angestellten auf meine Anweisungen hin von der erforderlichen Sequenz an Aminosäuren zu einem möglichen Großvater zurückrechneten, stießen sie auf einen Österreicher, einen gewissen Wolfgang Delius, der 1892 ohne bestimmte Absicht geboren wurde.
    Es stellte sich heraus, daß die Großmutter väterlicherseits nur eine gewisse Eva Weiß sein konnte, ebenfalls ohne bestimmte Absicht geboren, aber erst 1908, in Brüssel.
    Weiß klingt nicht gerade flämisch. Sollte es nicht De Witte sein?
    Ihre Eltern waren deutschsprachige Juden aus Frankfurt und Wien. Eine Diamanthändlerfamilie.
    Fromm?
    Völlig agnostisch. Die

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