Die Entdeckung des Himmels
kaum hörbaren Dröhnen von Flugzeugmotoren kompakte Stille. »Vielleicht solltest du es Max erst erzählen«, sagte Ada nach einer Weile, »wenn wir es wirklich sicher wissen.«
»Natürlich.« Er dachte wieder daran, daß er ohne Max nicht nur Ada nicht kennengelernt, sondern jetzt auch dieses Kind nicht bekommen hätte. Irgend so etwas hatte vom ersten Augenblick an in der Luft gelegen. Wieder sah er den dunkelgrünen Sportwagen auf dem Wassenaarseweg näher kommen, blinken und mit einer schnellen Bewegung an den Straßenrand schwenken. Er hatte sich fast hinknien müssen, um das Clownsgesicht am Steuer zu sehen. Es war noch kein Jahr her. »Wie sollen wir sie denn nennen?« fragte er. »Darüber habe ich noch nicht nachgedacht«, sagte Ada mit einem Lachen. »Elisabeth?« fragte sie kurz darauf. »Dann nennen wir sie Liesje.«
»Das«, sagte Onno, »ist nun genau die alleridiotischste Angewohnheit: dem Kind einen Namen zu geben, mit dem man es nicht rufen wird. Wenn du sie Liesje nennen willst, muß du sie auch Liesje nennen. Elisabeth ist natürlich schöner: so heißt die Mutter Johannes des Täufers. Ich finde aber, daß sie einen ebenso symmetrischen Namen haben sollte wie wir, und das erreichen wir, indem wir Onno nach dem phonologischen Quistschen Gesetz in Anna verwandeln. In religiöser Hinsicht würde das gut passen, denn so heißt die Großmutter unseres Herrn und Heilands. Mütterlicherseits, wohlgemerkt; über seine Großmutter väterlicherseits ist wenig bekannt, und ich habe auch noch nie etwas über die Mutter Gottvaters gehört. Das wäre eine Aufgabe für die Feministinnen. Die Tochter von Freud hieß übrigens auch Anna. So nennen große Männer ihre Töchter.«
»Und wenn es ein Junge wird?« – »Dann ändern wir Ada über Alpha- und Omega-Austausch in Odo.«
»Das klingt wie aus einem Ritterroman.«
»Gut getroffen. Das machen wir also nicht. Aber wir brauchen jetzt wirklich nicht darüber nachzudenken, denn es wird ohnehin kein Junge. Es wird ein Mädchen – mit herrlichen, langen Korkenzieherlöckchen. Wenn es ein Junge wird, denken wir uns einen ganz unmöglichen Namen aus.«
22
Was nun?
Als die Wissenschaft die Vermutung bestätigt hatte, wie sich das gehört, rief Onno Max in Leiden an und fragte, ob er am Abend etwas vorhabe. Max wunderte sich, da sich Onno normalerweise erst zehn Minuten vorher meldete, bevor er vorbeikam. Um neun Uhr polterte er das Treppenhaus hinauf und nahm auf der Türschwelle mit plumper Eleganz die Haltung eines klassischen Götterbildes, eines Apollo von Belvedere an: gespreizte Arme, leicht abgewandter Kopf. »Edle Einfalt, stille Größe. Du erblickst in diesem Augenblick eine Persönlichkeit, neben der du in totaler Bedeutungslosigkeit versinkst.«
»Du bist von überirdischer Schönheit«, sagte Max. »Es kann nicht anders sein, als daß der Geist sich über dich ergossen hat.«
»Du hast nicht die leiseste Ahnung, was sich alles ergossen hat.« Onno setzte sich in seinen Sessel und sagte: »Halt dich fest, Max«, und als Max mitspielte und den Flügel festhielt: »Ich werde Vater.«
Max legte seine Hände auf den glatten, schwarzen Lack und sah ihn an. »Das ist nicht wahr.«
»Wahr, wahr, unendlich wahr!«
Die volle Tragweite dieser drei Worte war Max noch nicht ganz klar, aber er hatte sofort ein Gefühl wie bei einer Schiffstaufe, wenn die Champagnerflasche schäumend am Bug zerschellt und das Schiff sich langsam in Bewegung setzt. Es war, als seien seine Hände mit dem Flügel verklebt; seine Haltung war noch Teil eines Spiels, das plötzlich nicht mehr gespielt wurde. Er richtete sich auf. »Seit wann weißt du es?«
»Seit gestern sind wir ganz sicher. Für mein Kind starb ein Frosch am Kreuz. In acht Monaten wirst du es sehen, wenn du mir nicht glaubst. Für deinen astronomischen Geist, der ausschließlich der Ewigkeit zugewandt ist, bedeutet die zarte Entstehung neuen Lebens natürlich nichts, aber dennoch bist du der erste, der es erfährt – aus Gründen, die zu widerwärtig sind, um näher darauf einzugehen.«
Max fühlte sich unwohl in seiner Haut. Hatte Ada ihm erzählt, was in Varadero geschehen war? Das war doch nicht möglich! Und als ihm die Erinnerung an diese Nacht in den Sinn kam, schwante ihm plötzlich die noch viel schrecklichere Möglichkeit: Wessen Kind war das? Er ging zum Schrank mit den Gläsern und fragte:
»Wie meinst du das?«
»Daß du sie mir vorgestellt hast, meine ich. Was dachtest du denn, was ich
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