Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Entdeckung des Himmels

Die Entdeckung des Himmels

Titel: Die Entdeckung des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Mulisch
Vom Netzwerk:
Mund schon fast in ihrer endgültigen Form herausgebildet.
    Am auffälligsten jedoch waren die Augen. Sie waren weit geöffnet, und die Iris, die den Raum zwischen den dunklen Wimpern füllte, hatte ganz und gar die Farbe von Lapislazuli, einem Blau, das keiner von ihnen je bei einem Menschen gesehen hatte. Max erinnerte es an die Farbe des Mittelmeeres in einem ganz bestimmten Augenblick: wenn er nach einer tagelangen Fahrt durch Belgien und Frankreich zwischen den flimmernden Hügeln von Saint Raphael den ersten Schimmer sah: Thalassa! Genau dieses unglaubliche Blau dieses Augenblicks sah er jetzt in dem blassen, eigenartigen Gesicht. Seine Angst vor einer sofort sichtbaren Ähnlichkeit war mit einem Schlag verflogen, in den ersten Jahren konnte er demnach beruhigt sein. Er hatte gleich auf Nase und Daumen geschaut, aber auch daran war nichts von ihm, und mit Onno war ebenfalls keine Ähnlichkeit zu entdecken. Von Ada hatte das Kind nur das schwarze Haar und die schwarzen, scharf gezeichneten Augenbrauen und Wimpern, die das Blau seiner Augen noch vertieften.
    »Was für eine Schönheit«, sagte Sophia. »Damit wird er noch seine Probleme haben.« Plötzlich drehte sie sich um und fragte in eines der Gesichter hinter ihr: »Wie geht es meiner Tochter?«
    »Die ist noch im OP. Alles läuft wunschgemäß, aber es wird noch eine Weile dauern.«
    Onno und Max dachten nicht an Ada.
    »Wie heißt er?« fragte Max.
    Stolz sah Onno ihn an.
    »Du kennst doch die Geschichte von dem Mann, der zu einem Kollegen von dir gesagt hat, er begreife zwar, daß die Astronomen mit ihren Instrumenten alle möglichen Eigenschaften der Sterne feststellen könnten – aber wie sie auf ihre Namen gekommen seien, bliebe ihm ein Rätsel.«
    »Das ist tatsächlich unsere größte Leistung«, nickte Max.
    »Quinten«, sagte Onno.

Aus der Tiefe
 heraus heraus
 
 
 •
 
 ist
 nein bleib
 
 
 
 
 die Wellen
 •
 schwarz
 
 Liesje
 
 •
 Hilfe
 
 
 
 aufstehen
 in die Schule
 mach‘s dir selbst
 
 
 
 Papa
 
 •
 
 •
 
 La valse
 
 Greuel, o Graus
 
 
 
 •
 nicht der Hooblei
•         ein Mädchen?
 
 
 Delius Max
 
 
 
 Bleib in Gottes Namen
 Bleib du  •
 will raus
 
 
 •
 Deckel zu
 •
 Wo bist du?
 
 Partitur

Dritter Teil
Der Anfang vom Ende

Zweites Intermezzo
    Gratuliere! Nun ist er also da, unser Abgesandter, das Ergebnis jahrelanger, harter Arbeit. Das muß doch ein befriedigender Augenblick für dich gewesen sein.
    Aber nur für einen Moment. Danach war es wie immer: wenn man endlich das erreicht hat, was man erreichen wollte, ist es nicht mehr das, was man erreichen wollte, sondern nur noch das, was man erreicht hat. Es ist eine Selbstverständlichkeit geworden. Genaugenommen verliert man eigentlich, was man gewinnt, und wenn man obendrein bedenkt, was man alles hat anstellen müssen, um es zu erreichen, dann vergeht einem die Befriedigung ziemlich schnell. Aber gut, dafür bin ich Profi und habe mit solchen Dingen ja nicht zum erstenmal zu tun. Nur das Ziel zählt.
    Ich nehme an, daß du jetzt an die Freundschaft zwischen den beiden denkst. Aber dieser umstürzende Baum – war das Zufall, oder hast du da auch deine Hände im Spiel gehabt?
    Natürlich war ich das. Es waren im übrigen zwei Bäume.
    Und was war der Sinn der Unternehmung? Es war doch eine ziemlich riskante Aktion – angenommen, sie hätte es nicht überlebt oder eine Fehlgeburt gehabt. Ich weiß, daß du diese Art von Fragen nicht magst, aber vielleicht kannst du sie mir doch beantworten.
    Wenn ich Bäume nicht exakt so umstürzen lassen könnte, wie ich das will, dann würde ich keine Bäume umstürzen lassen. Wir kennen die Lage und die Energie eines jeden Moleküls in der Luft und außerdem die Elastizität und den Widerstand jedes einzelnen Punktes im Baum und in seinen Wurzeln, Laplace hätte seinen Spaß daran, wenn er unsere aerodynamische Abteilung bei der Arbeit sehen könnte.
    Laplace? Bestimmt wieder so ein französischer Intellektueller mit einem schmutzigen Halstuch und einer Decke um die Schultern.
    Ob das zu seiner Zeit schon in Mode war, weiß ich nicht.
    Auf jeden Fall war er ein großer Mann, ein Kollege von Max Delius. Aber er war auch ein unverbesserlicher Optimist. Ein Dämon, behauptete er, der zu einem bestimmten Zeitpunkt alle Bedingungen der Welt kenne, könne nicht nur die Vergangenheit genau rekonstruieren, sondern auch die Zukunftexakt

Weitere Kostenlose Bücher