Die Entdeckung des Himmels
Rechtfertigung ihres Staates.«
»Und was ist mit dem Dritten Weltkrieg?«
»Es müßte natürlich alles absolut geheimgehalten werden.«
»Und dieser Kollege – wie heißt er?«
»Das ist mir entfallen. Nein: Landau. Mordechai Landau.«
»Wenn der sieht, daß er die authentischen Zehn Gebote vor sich hat, würde er den Mund halten?«
Onno seufzte tief.
»Er würde unverzüglich den Ministerpräsidenten anrufen.«
»Na bitte.«
Onno schwieg. Es war klar: er würde nie sicher sein, daß die beiden Steine nicht die von Moses waren. Quinten würde sie vielleicht in einer der Höhlen am Toten Meer verstecken, bei Qumran, die alle schon Dutzende von Malen durchsucht worden waren und in denen keiner mehr suchen würde; oder er würde sie irgendwo vergraben, in der Negevwüste, an einem Platz, den auch er nicht wiederfinden würde. Israel war klein, mit dem Bus war man innerhalb einer Stunde überall, sogar in der Sinaiwüste. Dort könnte er sie auf den Berg Horeb zurückbringen und nach Ägypten weiterfahren, womit sich der biblische Kreis geschlossen hätte. Dann könnte er sich schließlich in die Königskammer der Cheopspyramide einschließen lassen, durch deren heiße, stickige Gänge er sich schon einmal bei einem offiziellen Besuch hindurchgequält hatte, und sich in den leeren, schwarzen Sarkophag legen; den Pyramidioten zufolge herrschten dort ja übernatürliche Kräfte, die ihn wie Henoch von der Erde tragen würden. Onno löste den Sicherheitsgurt und kippte die Rückenlehne nach hinten. Er mußte sich damit abfinden, daß die ganze Episode den Charakter eines Traumes annahm, über den er nicht einmal reden könnte, ohne für verrückt gehalten zu werden.
Das Frühstück, das sie vorgesetzt bekamen, schien von derselben Substanz zu sein wie das Plastikbesteck, mit dem sie es essen sollten. Quinten half seinem Vater beim Öffnen der durchsichtigen Verpackungen, nicht weil er das nicht auch selbst schaffen würde, sondern weil er es einfach nicht können wollte und ihn eine Art Raserei zu übermannen drohte, bei der er sogar mit bloßen Zähnen ins Plastik biß, was nur mit einer Niederlage für die Zähne enden konnte.
»Diese Art von Essen ist das Ende der menschlichen Kultur«, schimpfte er, während er den Körper hinter dem heruntergeklappten Tischchen zu drehen versuchte.
»Aber wir fliegen immerhin«, sagte Quinten mit vollem Mund.
Als sich ihre übersichtlich geordneten Tabletts in widerliche Abfallhaufen verwandelt hatten, die lächelnd in Stahlwagen geschoben wurden, drückte er seine Stirn ans Fenster. Raum. Welt. Wie unregelmäßige, graubraune Fettflecke trieben die ersten griechischen Inseln im Meer, und über seinem Kopf lagen die Zehn Gebote auf ihrem Heimweg in der Ablage: es war, als hätte er von Geburt an auf diese Situation hingelebt. Was konnte jetzt noch kommen? Natürlich würde noch etwas kommen – aber dann? Einfach weiterleben? Zurück in die Niederlande und achtzig Jahre alt werden? An dieses Abenteuer zurückdenken wie an einen Vorfall aus ferner Vergangenheit, ein unbekanntes Ereignis aus dem vorigen Jahrhundert? Plötzlich überkam ihn das Gefühl, daß dies vielleicht seine letzten Tage auf Erden waren, aber es beunruhigte ihn nicht. Vielleicht hatte jeder etwas ganz Bestimmtes zu tun, womit sein Leben dann erfüllt war. Das konnte auch etwas ganz Unwichtiges sein, oder scheinbar Unwichtiges, zum Beispiel jemandem zu helfen, ohne daß derjenige es wußte. Eigentlich sollte jeder seine Vergangenheit daraufh in befragen und im Zweifelsfalle etwas in dieser Richtung tun.
In der Tiefe sah er einen hauchfeinen weißen Kometen im blauen Wasser: ein Schiff, das zu klein war, um zu erkennen, daß es in die entgegengesetzte Richtung unterwegs war. Waren die Gesetzestafeln, die Menora und die anderen Gerätschaften aus dem Tempel auf diesem Weg von Titus nach Rom gebracht worden, oder waren sie über Land gekommen? Erst als er es Onno schon gefragt hatte, sah er, daß er ihn aufgeweckt hatte.
»Entschuldige.«
»Nicht eine Minute Ruhe gönnst du mir«, klagte Onno und lockerte die Krawatte. »Wie die Beute transportiert wurde?
Keine Ahnung. Ich würde es sicherheitshalber auf dem Landweg machen. Eigentlich finde ich, daß du solche Sachen mittlerweile wissen solltest. Aber du studierst ja nicht, du machst nur.«
»Reicht das etwa nicht?«
»Und ob! Aber du hast recht, studieren kann jeder, dafür gibt es Leute wie mich. Als ich auf meine bescheidene Art in der Politik
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