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Die Entdeckung des Himmels

Die Entdeckung des Himmels

Titel: Die Entdeckung des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Mulisch
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Niederlande sagen wolle.
    Vom Klima mal abgesehen.
    Onno witterte seine Chance.
    »Ja«, sagte er. »Es soll dort wunderbar sein. Wenn es zeitlich nicht so knapp gewesen wäre, wären wir am liebsten auch mitgefahren.«
    »Sie möchten in Gesellschaft Ihrer Freundin unsere schöne Insel besuchen?« fragte der Botschafter mit gespielter Verwunderung. »Warum fahren Sie nicht lieber ein anderes Mal?«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Auch auf Kuba haben wir schöne Frauen.«
    Entsetzt sah Onno ihn an.
    »Aber Herr Botschafter! Ich bin meiner Freundin unerschütterlich treu! Ich könnte es mir nie verzeihen, wenn so etwas Schreckliches geschehen würde.«
    Der Botschafter lächelte mild.
    »Herr Quist, was in zehntausend Kilometern Entfernung geschieht, ist nicht geschehen.« Er überließ Onno sich selbst und wandte sich an Max. »Und Sie – warum möchten Sie Kuba besuchen?«
    »Den Grund haben Sie mir eigentlich gerade gegeben. Bis jetzt wollte ich ausschließlich als Freund des Hauses mitfahren.«
    Der Botschafter nickte.
    »Das neue Kuba hat die Freundschaft groß auf sein Banner geschrieben. Kuba braucht Freunde, um zu überleben.« Er sah eine Weile vom einen zum anderen. »Ihre Pässe haben Sie natürlich zufällig dabei?«
    Ada und Bruno würden im Hotel Nacional untergebracht werden; Max und Onno sollten ihre Unterkunft am besten am Flughafen von Havanna regeln. Nach dem sinistren Knallen der Stempel, das überall auf der Welt schon unzählige Male über Leben oder Tod entschieden hat, wurde für sie nach dem Verlassen der Botschaft plötzlich die Zeit knapp.
    Der Flug mit der Cubana, für den Ada und Bruno erst nach Prag mußten, war ausgebucht. Darüber hinaus flog in Europa nur die Iberia nach Havanna, nur das faschistische Spanien setzte sich über die Blockade des kommunistischen Kuba hinweg. Onno meinte, das käme daher, daß Spanien das Mutterland der ehemaligen Kolonie sei. Der Volkscharakter sei immer stärker als die Ideologie: Franco sei ein spanischer König, Fidel Castro ein lateinamerikanischer caudillo , de Gaulle der soundsovielte Ludwig, Stalin Zar aller Russen, Mao Kaiser von China und Königin Juliana eine holländische Statthalterin. Auch seine politischen Freunde, die alle Regenten abschaffen wollten, würden eines Tages selbst als Regenten enden, dem königlichen Holland entkomme niemand, aber diese Prophezeiung sei bitte schön als streng vertraulich zu betrachten.
    »Und du?«
    »Ich? Ich werde der grausamste Regent von allen. Alle Wohlwollenden werden vor mir zittern !«
    Das Duo stieg wie Phönix aus der Asche, und Ada und Bruno mußten ihr Programm zusammenstellen und proben.
    Da es für Ada zu zeitaufwendig war, jeden Tag mit dem Cello nach Leiden zu fahren, und Onno kein Klavier besaß, stellte Max sein Appartement zur Verfügung, da er tagsüber ohnehin nicht zu Hause war.
    Ada zögerte, das Angebot anzunehmen, aber da keinem mit einer Ablehnung geholfen war, ging sie schließlich darauf ein.
    Sie bekam den Schlüssel, und beim ersten Mal betrat sie die Zimmer mit einem Gefühl, das jemand hat, wenn er in ein Haus kommt, in dem gerade jemand gestorben ist: alles unberührt, alles noch so, wie es zu Lebzeiten gewesen ist. Aber in Gegenwart von Bruno, der sich sofort an den Flügel setzte, schwand dieses Gefühl rasch.
    Wenn Max abends nach Hause kam, Ada und Bruno noch musizierten und oft auch Onno da war und an seinem angestammten Platz in irgendwelchen Papieren las, überkam ihn ein väterliches Gefühl. Eine glückliche Familie! Tagsüber, in Leiden, freute er sich schon darauf, nach Hause zu fahren.
    Manchmal wurde sein Kommen kaum bemerkt, und daß er in den eigenen vier Wänden überflüssig war, störte ihn nicht, im Gegenteil: zu seiner eigenen Verwunderung erfüllte es ihn mit einer wohligen Zufriedenheit. Woher rührte diese Distanz? Manchmal standen sogar Gegenstände nicht an ihrem Platz. Er setzte sich irgendwohin, nahm ein Buch über Kuba und begann zu lesen, als ob er der Gast war. Er hörte der Musik zu, sah aus den Augenwinkeln zu Onno und überlegte, daß die Idylle bald zu Ende sein würde: die Kinder wären dann flügge, und alles würde wieder so sein, wie er es am Morgen verlassen hatte.
    Ada spürte manchmal seinen Blick auf sich ruhen, aber sie beantwortete ihn nicht. Es war, wie es war. Sie gehörte jetzt zu Onno, und das würde auch so bleiben, und sie wußte, daß er das wußte. Was ihr aber nicht gefiel, war, daß offenbar doch noch etwas in ihm rumorte,

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