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Die Entdeckung des Himmels

Die Entdeckung des Himmels

Titel: Die Entdeckung des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Mulisch
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Fall ins Schwarze getroffen. Verblüfft
    sah Onno Ada an und sagte:
    »Es sieht gerade so aus, als ob ich ausgeschimpft werde.
    Aber er hat recht. Laß es uns versuchen, was kann uns schon passieren, vielleicht ist es das Ei des Kolumbus in politicis. Übrigens«, sagte er, während er die Flasche aus dem klirrenden Eis zog, »als Kolumbus auszog, Amerika zu entdecken, landete er zuallererst auf Kuba, von dem er dachte, es sei Eldorado, über das Marco Polo geschrieben hat.«
    Als sie am nächsten Morgen nach Den Haag hineinfuhren, Ada quer auf dem Rücksitz, zeigte Max ihr die Stelle, an der er im Februar gehalten hatte, um Onno mitzunehmen.
    » Stille Nacht« , sang Onno, »heillose Nacht …«
    »Oh, danke«, sagte Ada. »Hätte er damals nicht angehalten, hättest du auch mich nicht kennengelernt.«
    »Richtig«, sagte Onno, »geradezu wahnsinnig richtig. Aber auch ich spielte dabei eine Schlüsselrolle, denn wenn ich an diesem Tag nicht den Termin in Leiden gehabt hätte, hätte Max dich nicht kennengelernt.«
    »Und das«, sagte Max zu Ada, »verdanken wir deinem Vater.«
    »Meinem Vater?«
    »Hätte er nicht Mein Leben von Alma Mahler ins Schaufenster gelegt, wären wir nicht in das ›Lob der Torheit‹ hineingegangen.«
    »Alma Mater« , nickte Onno. »Aber letztendlich steckt natürlich mein Vater dahinter. Hätte es ihm nicht behagt, an diesem ersten Tag Geburtstag zu haben, wäre überhaupt nichts passiert.«
    »Und auch nicht, wenn ich nicht zum Karnevalfeiern nach Rotterdam gefahren wäre«, sagte Max. »Das Leben besteht trivialerweise aus Zufällen. Obwohl … was ist zu halten von Schönberg, dem Erfinder des Zwölfton-Systems? Er hatte eine panische Angst vor der Zahl dreizehn. In seinen Kompositionen numerierte er die Takte oft zwölf , zwölf a , vierzehn. Und was meint ihr? Er starb an einem Freitag, dem dreizehnten.«
    »Der Mann war also hysterisch«, lachte Onno. »Alle Komponisten sind hysterisch.«
    »Stimmt nicht«, sagte Ada. »Er hat geahnt, wie es laufen würde. Ich glaube, daß alles vorherbestimmt ist. Es steht alles in den Linien der Hand.«
    Während er weiter auf die Straße sah, weiteten sich Max’
    Augen für einen Moment; aber es erschien ihm besser, zu verschweigen, was ihm gerade eingefallen war.
    »Ach«, seufzte Onno leidenschaftlich, »wäre das wundervoll.«
    »Im Gegenteil«, sagte Max, »dann würde es keinen Spaß mehr machen. Prädestination ist grundsätzlich unmöglich in diesem All, wegen der Planckschen Konstante. Die macht alles unberechenbar.«
    »Gott hat in seiner unendlichen Weisheit auch die Plancksche Konstante geschaffen«, rief Onno mit erhobenem Zeigefinger. »Die Plancksche Konstante ist die Offenbarung Gottes in der Natur. Dadurch haben wir einen freien Willen und können sündigen. Wozu sind wir auf der Welt? Wir sind hier, um zu sündigen und auf diese Weise Gott zu verherrlichen.«
    Obwohl sie keinen Termin hatten und Ada nur in die Kanzlei mußte, stellte sich heraus, daß der kubanische Botschafter bereit war, sie zu empfangen, und das hatte natürlich etwas mit dem Namen Quist zu tun. Zu Max’ Enttäuschung war er kein bärtiger Wüstling mit dicker Zigarre zwischen den Zähnen und Revolvergurt auf dem Schreibtisch, sondern ein feiner Herr von weit über siebzig in einem dunkelgrauen Anzug mit Weste. Er hatte schütteres, weißes Haar und die aristokratische Blässe eines hohen Funktionärs am ehemaligen spanischen Hof. Adas Visum ergab sich automatisch aus der Einladung, und der Pianist sollte sich ebenfalls melden; ICAP werde noch heute telegraphisch von ihrem Kommen in Kenntnis gesetzt, die Flugtickets könnten sie in einigen Tagen hier abholen.
    Nachdem die Sekretärin Ada zur Erledigung der Formalitäten mitgenommen hatte, erzählte der Botschafter Onno, daß er seinem Vater einige Male bei offiziellen Anlässen begegnet sei. Mit den meisten Dienstjahren in den Niederlanden sei er der Dekan des Corps Diplomatique, und das sei auch der Grund, weshalb Havanna sich jedes Jahr weigere, ihn in Pension gehen zu lassen: in dieser Funktion könne er Kontakte mit Kollegen pflegen, die von ihren Regierungen aus kein Wort mit einem kubanischen Botschafter wechseln durften.
    Er tue es gerne für Fidel, damals, in New York, habe er das Geld aufgetrieben für seine Expedition mit der Granma, die zur Revolution geführt habe, aber so langsam würde er doch lieber auf Kuba seinen Lebensabend genießen, womit er natürlich nichts Nachteiliges über die

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