Die Entdeckung des Himmels
als die zu einer Partei. Oben an der steilen Treppe stand ein trübsinniger, ungarischer Portier, der nach dem Aufstand vor elf Jahren aus Budapest geflohen war. Ada sei gerade gekommen, sagte er mit einem Gesicht, aus dem sprach, daß das letztendlich nicht so wichtig war.
Der Club war voll, leise Musik von Dave Brubeck schwebte durch den Raum. Im Vorbeigehen hörte Onno jemand sagen: »Wenn ich einem christdemokratischen Politiker die Hand gegeben habe, zähle ich immer meine Finger nach.« Es war der Besitzer der Bar, ein führender Journalist und einer der Gründer der linken Liberalen.
»Wished I said it myself« , sagte Onno über die Schulter, worauf der andere lächelnd zu ihm aufsah und sagte: »You will , Onno, you will.«
Ada stand ganz hinten. Nach allen Seiten grüßend, ging Onno auf sie zu.
»Und?«
»Es hat geklappt«, sagte sie und tauschte Küsse mit Max, ohne ihn dabei anzusehen. »Unter der Bedingung, daß ich dort nicht herausposaune, daß ich Mitglied des Concertgebouw-Orchesters bin.«
»Und Bruno?«
»Du weißt ja, wie er ist. Er tat sehr kühl und sagte, daß er sich für die Tage vielleicht frei machen könne, aber er hat sich natürlich wahnsinnig gefreut.«
»Koen!« rief Max dem Mann hinter der Bar zu. » La Veuve ! «
Mit hochgezogenen Augenbrauen sah Onno ihn an.
»Seit wann trinkst du?«
»Seit diesem Moment. Das muß doch gefeiert werden. Kuba!
Stell dir das doch mal vor!«
Ein Kühler mit Champagner wurde vor sie hingestellt, und sie stießen an.
»Auf die Völkerfreundschaft!« sagte Onno und küßte Ada aus seiner Höhe aufs Haar.
»Und wenn wir«, sagte Max, ohne darüber nachgedacht zu haben, »einfach mitkämen?«
Er wußte sofort, daß das die Lösung war. Dort, weit weg, in den Subtropen, würden sich vielleicht die polnischen Nebel auflösen, die jetzt schon seit Wochen um ihn herum hingen. Viehwaggons, Selektionen, Vergasungen, dort auf der roten Insel würde dieser schwarze Pfuhl vielleicht … nicht zugeschüttet werden können, denn das war unmöglich mit etwas Unendlichem, aber vielleicht würde er in einem Licht erscheinen, in dem die Menschheit nicht unbedingt als hoffnungsloser Fehlschlag abgeschrieben zu werden brauchte.
Onno und Ada sahen einander an.
»Ja, warum eigentlich nicht?« sagte Ada. »Was hält euch davon ab?«
Onno schüttelte den Kopf.
»Wie stellst du dir das vor? Das ist schon in drei Wochen.
Wir brauchen Visa und was weiß ich noch alles. Wir könnten doch Terroristen sein, die Fidel Castro umbringen wollen. Das klappt nie in so kurzer Zeit, mit diesen bolschewistischen Bürokraten, und dann auch noch aus der Dritten Welt. Ein Brief braucht ja schon zwei Monate.«
»Ich habe auch kein Visum.«
»Aber du hast eine Einladung.«
»Hört zu«, sagte Max. »Wir können es doch versuchen.
Wenn wir morgen zu dritt zur Botschaft gehen. Wir legen unsere Pässe auf den Tisch und sagen, drückt ruhig euren Stempel hinein, denn wir sind Freunde der kubanischen Revolution.«
»Woher kommt das nur«, fragte sich Onno, »daß ich, der ich doch einer der vernünftigsten Leute bin, die ich kenne – und jetzt drücke ich mich noch bescheiden aus –, so einen dumpfen Freund habe? So funktioniert die Welt eben nicht, Mann!«
Plötzlich war sich Max seiner Sache vollkommen sicher. Er nahm einen Schluck, beugte sich vor und sagte:
»Ich weiß nicht, wie die Welt funktioniert, Onno, aber vielleicht liegt darin meine Stärke. Wenn du mich fragst, funktioniert sie gar nicht, genausowenig wie der Inhalt eines Mülleimers. Ich glaube, daß die Welt – zumindest auf dieser Erde – ein riesiges, improvisiertes Chaos ist, das noch immer aus unerklärlichen Gründen mehr oder weniger weiterexistiert.
Der Mensch gehört eigentlich nicht ins All; aber jetzt, da er nun einmal da ist, ist in verschiedener Hinsicht alles möglich.
Die Geschichte hat das im übrigen bereits bewiesen, möchte ich doch meinen; und du als Politiker müßtest das wissen.
Aber wenn du schon beginnst mit der Bemerkung, so funktioniert die Welt und das ist möglich und das ist unmöglich, dann solltest du lieber zu deinem Diskos von Phaistos zurückkehren. Alles bleibt Menschenwerk, also Pfusch, und deshalb solltest du vielleicht immer zunächst einmal das tun, was dir dein Herz eingibt, und dich selbst nicht von vornherein mit Überlegungen blockieren, die die anderen vielleicht vorbringen oder vielleicht auch nicht.«
War es der Champagner? Seine Worte hatten auf jeden
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