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Die Entdeckung des Lichts

Die Entdeckung des Lichts

Titel: Die Entdeckung des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Bönt
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am Spektakel interessiert als Faraday.
    »Wellesley«, sagte jemand, und alle drehten sich sofort zu ihm um, »wird auch Paris noch einnehmen.«
    Jemand anderes antwortete brüsk: »Paris ist nicht Madrid, und Madrid muss er erst einmal bekommen. Eins nach dem anderen, würde ich empfehlen. Er zieht doch schon zwei Jahre planlos herum.«
    »Er beschäftigt Buonaparte«, war die nicht weniger brüskierte Antwort, »Besseres kann er gar nicht tun.«
    Ein Dritter: »Die Portugiesen werden kaum bis Paris mitgehen.«
    »Die Portugiesen! Die braucht niemand. Die Portugiesen!«
    Der Zweite wieder: »Paris ist vor allem viel näher.«
    »Und die deutsche Legion, auf die ist Verlass?«
    »Ach«, wusste der Erste ganz sicher, und der Dritte meinte skeptisch, dass ihm wohler wäre, der Spuk käme eines Tages zu einem Ende, was die anderen mit abwertenden Blicken beantworteten.
    In dem Moment kam Tatum, ein kleiner, freundlicher Mann. Er hatte mitgehört, dachte Faraday, denn er begrüßte das Publikum mit lauter, selbstsicherer Stimme: »Schön, Sie hier zu treffen, in London, der größten und mächtigsten Stadt der Welt!«
    Es wurde gelacht, einige applaudierten. Faraday war froh, nicht der Grund zu sein. Jetzt konnte er sich endlich dem Mitschreiben widmen und musste nicht tatenlos dasitzen.
    Tatum sprach über Galvanismus und die Elektrizität von Froschschenkeln, wovon er zwei an eine Batterie anschloss, damit sie zuckten. Die Frau von Luigi Galvani habe das in ihrer Küche zufällig während der Zubereitung der Schenkel auf ihrem Küchentisch beobachtet, weil ihr Mann ausgerechnet direkt daneben einen Elektrisierapparat betrieb. Ohne irgendwie darauf zu achten, wohin die Funken flogen. Galvani, so Tatum, war sicher, dass Elektrizität zwischen Nerven und Muskeln erzeugt würde.
    Sein Neffe Giovanni Aldini habe England bereist und in Newgate mit einer Batterie aus einhundertzwanzig Kupfer- und Zinkplatten Versuche an dem frisch exekutierten Mörder Forster unternommen, die wegen ihres Mutes legendär geworden waren. Als Aldini die Pole an dessen Ohren anschloss, habe sich ein Auge des Toten geöffnet und das Gesicht die schlimmsten Grimassen gezeigt. Schloss Aldini einen Pol an ein Ohr an, den anderen an den Mund, habe der Kiefer gebebt und seine Muskeln sich verkrampft, und alles habe sich noch fürchterlicher verdreht. Als Aldini schließlich einen Pol mit einem Ohr, den anderen mit dem, äh, Anus des Mörders verband, da habe der Leichnam die rechte Hand gehoben und eine Faust gemacht, während die Oberschenkel sich bewegt und schließlich die Beine im Ganzen gezuckt hätten.
    »Diese Versuche sind«, sagte Tatum abschließend, »von einer Reihe von Professoren in Turin, Bologna und an der Salpêtrière in Paris bestätigt worden.«
    Er machte eine lange Pause und sah sehr nachdenklich aus, bevor er hinzufügte, dass mancher das schon für Leben halte. Es würde aber von der Royal Human Society erst mal geprüft, wie bei Verrückung, Melancholie oder Gehirnschlägen die Elektrizität helfen könne und wie sich Ertrunkene oder Erstickte ins Leben zurückholen ließen, bei denen es lediglich an Lungentätigkeit fehle.
    Die Rettung von vier jungen Männern, die in Woolwich ins Eis gebrochen waren, war jedenfalls nicht geglückt.
    »Sie waren«, meinte Tatum, »wohl schon zu lange tot.«
    Schließlich erzählte er, gerade Kunde aus Franken bekommen zu haben: »Das ist ein Landstrich in Deutschland, und zwar ein sehr interessanter Landstrich, kann ich Ihnen sagen!«
    Es werde dort, erzählte er fröhlich, noch immer gegen den Wetterableiter opponiert: »Stellen Sie sich das vor: In einer fränkischen Gemeinde haben Bürger die Installation nachts von der Kirche gerissen!«
    Im Auditorium wurde es lebhaft.
    »Es sei, so sagen sie«, fuhr Tatum mit spitzer Stimme fort, »Gottes Wille, wenn der Blitz zur gerechten Strafe der Sünder einschlage!«
    Es wurde unruhig. Nachbarn redeten miteinander. Faraday wünschte, es würde aufhören.
    »Die Ableitung sei Lästerung«, sagte Tatum selbstsicher.
    »Sehen Sie«, er hielt jetzt ein Heft hoch, ein schlecht gebundenes Buch, »ich habe eine Schrift aus Deutschland zugesandt bekommen, die uns hierüber berichtet.«
    Er schrieb an die Tafel hinter ihm: Deutschland, wobei er nach der ersten Silbe die Kreide abbrach und neu ansetzen musste. Dann referierte er die Geschichte des Wetterableiters nach der Schrift in wenigen Zügen: »Man muss das sehr ernst nehmen. Allgemein weiß man kaum

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