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Die Entdeckung des Lichts

Die Entdeckung des Lichts

Titel: Die Entdeckung des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Bönt
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Wetterläuten erschlagenen Messner«, rief Tatum, »gute Männer und Frauen allesamt, die nur kraft ihres Mutes dem entgegentraten, was ihrer Gemeinde Schaden zufügte, sind Gegenbeweis genug. Was haben sie schon getan, dass ausgerechnet ihnen das Leben genommen wird?«
    Schließlich, so führte er langsam aus und blickte von einem zum anderen, seien die Glocken nichts anderes als Wetterableiter, ein Metallkörper oben, ein nasses Seil unten, nichts als ein Kabel, mit dem man nach dem Blitz fische, als sage man: Komm her, nimm mich.
    Er wolle dies beim nächsten Mal demonstrieren, aber schon jetzt sagen, und hier wurde er laut, und es klang zornig: »Gott gibt dem Menschen nicht die Einsicht, damit er sie unbenutzt lässt!«
    Faraday hätte fast applaudiert, riss sich aber im letzten Augenblick zusammen. Man hörte nur den einen oder anderen Schuh über den Holzboden scharren, weil sich mancher aufsetzte.
    »Im Gegenteil«, fuhr Tatum mit tiefer Stimme fort, »das Verständnis der Elektrizität des Wetters hat uns der Herr in die Hand gegeben, um die Herrlichkeit der Schöpfung erst recht zu erkennen!«
    Der Applaus war nicht vollständig und er kam nicht schnell, sondern zögerlich, erst erstarb er sogar wieder, wurde dann erneut aufgenommen und verstärkte sich ein wenig, starb wieder. Faraday saß stumm auf seinem Stuhl.
    Tatum ließ sich gar nicht beeindrucken: »Jeder Wetterableiter, der Leben schützt, ist der Wille des Herrn!«, rief er: »Gott selbst hat entschieden, die Menschen von der Tyrannei des Blitzes zu befreien, und ihnen das Werkzeug dafür in die Hand gegeben!«
    Größerer Applaus, aber manche blieben stumm.
    »Sich seinem Willen entgegenstellen, das soll tun, wer will! Aber wie der Herr den Menschen als Krone der Schöpfung schuf, so entwickelt er ihn fort.«
    Hinter Faraday fragte eine Frau zu laut, wieso der Herr nicht einfach den Blitz abschaffen konnte. Sie wurde durch einen Zischlaut zum Schweigen gebracht.
    »Wir haben zu danken«, sagte Tatum ernst und fügte in belustigtem Ton, geradezu bübisch und pointiert an, dass die »Baierische Regierung das nun verstanden hat. Sie hat das Wetterläuten«, er machte eine Pause, bevor er triumphierend schloss: »verboten«.
    Abermals Applaus, größerer jetzt, dazu Gelächter.
    »Mithilfe des Militärs setzt die Baierische Regierung das Verbot durch, es bewacht die Wetterableiter in aufsässigen Gemeinden. Nicht einmal Deutschland wird sich also wissenschaftlichen Erkenntnissen auf Dauer entziehen.«
    Er erntete erneut Applaus, diesmal war er lang und laut und wirkte befreit. Einige standen auf. Tatum genoss das, und manches Gespräch ging in dem Lärm unter, wie Faraday feststellte und notierte. In seiner Reihe schüttelte ein Mann im Gespräch mit seiner Frau vehement den Kopf und wollte offensichtlich sofort gehen. Faraday hatte viele Skizzen gemacht, die er hektisch einsammelte.
    Kaum zu Hause, formulierte er die Erklärungen minutiös nach, machte nach den Skizzen und mithilfe seiner Erinnerungen saubere und liebevolle Zeichnungen, die detaillierter waren als die von Tatum.
    Faraday schlief wenig in dieser Zeit, war morgens immer gleich klar und frisch im Kopf und sprang tatendurstig aus dem Bett. Nach ein paar Wochen band er ein kleines Buch, das er mit einer Widmung Riebau schenkte.
    »In der Kunst der Höflichkeit bin ich nicht geübt«, schrieb er dem Mann, dem er so viel verdankte, »weshalb ich meiner Verpflichtung nur auf einfache Art nachkommen kann.« Er wolle sich erlauben, seinen Dank für die vielen Zuwendungen auf diese Weise auszusprechen.
    Faraday war nicht etwa Autor geworden. Sein Wunsch war, Gott und seinem Werk zu dienen, so gut es ihm gegeben sein würde. Er musste es verstehen und, wie ein jeder Priester, anderen mitteilen.
    Keinen der Vorträge verpasste er jetzt mehr, während Buonaparte in Dresden Feste feierte, und dann geschah auch das Wunder: Nach einem Vortrag war Faraday an den Tisch getreten, um eine Versuchsanordnung zum Magnetismus aus der Nähe zu sehen und abzuzeichnen, und Tatum hatte ihn in ein Gespräch verwickelt, bevor Faraday das überhaupt richtig bemerkte.
    Faradays Ohren schienen zu glühen, ihm war schwindlig, und er sah nur noch zwei Dimensionen, Höhe und Breite, als er begriff, dass er mit dem Silberschmied in der Mitte des Raumes stand und vom noch zum größeren Teil anwesenden Publikum interessiert beobachtet wurde. An die Reihenfolge der Argumente, wie das Gespräch überhaupt begonnen hatte,

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