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Die Entdeckung des Lichts

Die Entdeckung des Lichts

Titel: Die Entdeckung des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Bönt
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mit Versuchen im Hotelzimmer und im Labor des Kollegen Chevreul nannte Davy die Substanz Jod. Sie war nicht weiter zerlegbar und hatte viel mit Chlor gemein. Davy sandte einen Artikel, den Faraday aus dem nicht als Handschrift zu bezeichnenden Gekritzel und Geschmiere Davys hergestellt hatte, mithilfe einer Mittelsperson nach England, damit die Royal Institution ihn schnell verlas und veröffentlichte: »Über die Eigenschaften des Jod .«
    Die kurze Freundschaft mit Ampère und den Kollegen, beim großartigen Empfang Davys im Institut de France noch gefeiert, war beendet.
    Gay-Lussac, der die Substanz nach seinen Angaben ebenfalls schon Jod genannt hatte, erklärte Ampère den Krieg, wie sie später hörten, denn Jod konnte schlecht zweimal entdeckt werden.
    Faraday schlenderte jetzt viel durch Paris und hielt seine allgemeine Abneigung gegen die Franzosen fest: Sie hatten keinerlei Begriff von Ehre oder Scham in ihren Geschäften. Der Kunde fragte immer zweimal nach dem Preis, und wenn er die Hälfte anbot, akzeptierte der Verkäufer. Auf die Kritik des unfairen Handels erwiderte er nur, dass der Käufer sich den höheren Preis schon hätte leisten können.
    Einen Diener hatte es keinen gegeben in Paris, er hätte ja sowieso nicht auf den Bock der Kutsche gepasst, und im Wagen hätte Lady Davy den ungehobelten Sohn eines Schmieds nicht mal auf dem Weg zum Südpol geduldet.
    Vor Abfahrt der daher unverändert kleinen Reisegruppe mischte sich Faraday unter Tausende, die an den Tuilerien warteten, um den Kaiser auf dem Weg zum Senat zu sehen. Mitte Dezember war es inzwischen, und unter einer großen Hermelinrobe »beinahe versteckt« kam der Eroberer, nachdem unzählige Reiter und Kutschen vorbeidefiliert waren, in einer Ecke seines Wagens sitzend, einen übergroßen Strauß Federn halb im Gesicht, der an seinem samtenen Hut steckte. Faraday war durchgeregnet, aber nicht zu weit weg, um zu erkennen, dass Buonaparte eine dunkle Miene machte. Kein Wunder, wusste er doch besser als der junge, sich selbst als nichts als ein Wissenschaftler verstehende Beobachter, dass seine Zeit abgelaufen war. Pompös der Wagen, vierzehn Diener umgaben den Eroberer, der ohne Akklamation seiner Bürger, ohne jeden Kommentar des stummen Volkes, selbst still und bis auf die Eisen der Pferde geräuschlos wie eine ungewisse Erscheinung am Himmel vorüberzog.
    Auf dem Rückweg über Montmartre machte Faraday eine Skizze vom optischen Telegraphen, der einer Nachricht aus dem zweihundert Kilometer entfernten Lille erlaubte, über die Kette der zirka zehn Kilometer voneinander entfernten Stationen in sechs Minuten Paris zu erreichen. Dazu mussten sich alle auf ihrem Posten befinden, und es durfte keinen Nebel geben.
    Was niemand wusste: In der anderen Richtung hatte Wellesley, der mittlerweile Lord Wellington hieß, mit seinen Einheiten Spanien unter Kontrolle gebracht und schickte sich an, Frankreich zu betreten.
    Bevor Faraday als Spion hätte verhaftet werden können, war die Kutsche Richtung Montpellier unterwegs, eine lange Reise, an deren Ende Faraday fast den von den Alliierten befreiten Papst zu sehen bekommen hätte. Rutschend, kletternd und schlitternd überquerte die Gesellschaft die Alpen, mithilfe von sechzig Männern, die brusthoch im Schnee versanken, um die Kutsche in Teilen und die Damen in zwei Sänften über den Pass zu tragen. In Genua ging Faraday in die Oper und sah, wie man nach einer Arie zum Applaus des Publikums Papierschnipsel und Tauben aus der Höhe ins Parkett warf, wobei einige der Vögel zu Tode kamen.
    Auf der Überfahrt nach Lerici gerieten sie in Seenot, und Lady Davy verstummte ausnahmsweise einmal, was laut Faraday die Lebensgefahr mehr als wettmachte. In Florenz verbrannten Faraday und Davy eine Handvoll Edelsteine mithilfe des durch eine Linse fokussierten Sonnenlichts, um zu zeigen, dass sie aus nichts als Kohlenstoff bestanden. Sie machten sich über die Italiener lustig, die das Sonnenlicht scheuten, und holten sich Sonnenbrände. In Rom feierten sie Karneval, und Faraday schloss sich in seinem Kostüm aus Versehen einem Beerdigungszug an. Sie fuhren auf der von Räubern belagerten Straße nach Neapel und erstiegen den Vesuv, atmeten lustvoll seine Gase ein, brieten Spiegeleier auf erkaltender Lava, tranken den vom Bergführer mitgebrachten Rotwein und sangen »God save the King« in den Golf von Neapel hinab, im Rücken das Feuer des Berges und den Rauch, der »im Sternenlicht eine Straße gen Himmel«

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