Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Entdeckung des Lichts

Die Entdeckung des Lichts

Titel: Die Entdeckung des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Bönt
Vom Netzwerk:
eigneten.
    »Jeder zweite Mann unter Tage«, wurde Faraday auf die Frage geantwortet, wie es um die Bildung der Leute bestellt sei, »kann seinen Namen nicht schreiben.«
    Sie gingen die Schächte ab, in denen es die meisten Toten gegeben hatte. Er ließ sich die Lampen zeigen, an der Oxidation von
einer sah er, dass Gas im Schacht gewesen sein musste. Ein Bergmann erzählte von einem Jungen, der von einem Wind fast weggerissen worden war, sonst aber nichts hatte wahrnehmen können. Der Bergmann selbst war zu weit weg, er hatte in seinem Abschnitt vor und nach der Explosion keinen Unterschied feststellen können, aber zehn Minuten vor der Explosion hatte der Luftzug die Kerzen ausgeblasen, und er bekam sie kaum wieder vernünftig an. Man konnte es an den Zerstörungen der Sperren ablesen, dass sich die Explosion in der Nähe eines toten Mannes ereignet hatte.
    »Wie messen Sie den Luftzug eigentlich?«, fragte Faraday den Vorarbeiter.
    Der Mann nahm eine Prise Schießpulver aus einer kleinen Schachtel, die er in der Hosentasche getragen hatte, und ließ sie durch die Flamme einer Kerze rieseln. Sein Kollege nahm mit einer Uhr die Zeit, die der Rauch für eine kleine Strecke benötigte.
    »Gut«, Faraday räusperte sich.
    Wo sie denn das Schießpulver lagerten?
    Die beiden Männer sahen sich an und taten so, als verstünden sie nicht, worauf er hinauswollte.
    »Sie brauchen ja einen Vorrat für diese Methode.«
    Sie hätten es in einem Beutel, sagte der erste, und der zweite ergänzte: »Immer gut verschnürt.«
    Faraday fühlte sich müde und setzte sich auf eine mit Lappen bedeckte Tonne, die ihn zum Ausruhen einlud.
    »Aber wo«, wollte er wissen, »wo haben Sie den Beutel?« Die beiden sahen sich an, bis einer von ihnen sagte: »Sie sitzen drauf.«
    Faraday sprang auf, als habe ihm jemand eine Pistole ins Kreuz gedrückt, und brüllte den Vorarbeiter nun doch an, es sei kein Wunder, dass hier Menschenleben verloren gingen. Er strebte ohne Verzögerung dem Ausgang zu, die Untersuchung war beendet.
    Draußen traf er auf eine erregte Hundertschaft Bergarbeiter. Er sah Kinder, junge Frauen und Männer, die auffallend stark entwickelte Oberkörper besaßen, und er wurde von müden, erwartungslosen und wütenden Augen angestarrt.
    Roberts war ebenfalls eingetroffen. Er holte Faraday ab, um zu Abend zu essen, wartete aber nicht so lange mit seinen Nachrichten. Auf dem Weg berichtete er ausgiebig von den Verhältnissen unter den Arbeitern. Sie kamen gleichzeitig im Vereinsheim der Arbeiter und bei der Kinderarbeit an: »Sie wissen, dass an den engsten Stellen Vierjährige in der Grube arbeiten?«
    Faraday nahm vom Brot und sah ihn so an, dass er weitersprach.
    »Auch die älteren Kinder werden oft von ihren Eltern bei Einbruch der Nacht gesucht und schlafend im Straßengraben gefunden. Sie tragen die Kinder nach Hause, waschen sie, während sie schlafen, und sonntags verlassen die Kinder das Bett nicht, um am Montag wieder bei Kräften zu sein. Die Pubertät tritt hier im Schnitt zwei Jahre verspätet ein. Wir hatten einen Fall eines Neunzehnjährigen, der aus Kraftmangel nicht entwickelt war.«
    Faraday nickte. Weil er fürchtete, Roberts würde die Verdrängung der Arbeiter durch Maschinen kritisieren, und noch mehr aus Erschöpfung und Unschlüssigkeit, über wen er sich am meisten aufregen sollte, teilte er nichts von seinen elektrischen Träumen mit. Er ging bald zu Bett, wo er sich ein Tuch über die Augen legte und an nichts dachte. Er hatte leichte Zahnschmerzen unten links, das kannte er schon. Er behielt es für sich.
    Am zweiten Tag in der Mine ergab sich nichts wesentlich Neues, aber durch einen Einsturz wurde er von Lyell getrennt. Sie blieben unverletzt, mussten verschiedene Ausgänge nehmen. Als Faraday ans Licht kam, regnete es, und er fand dort einen Mann vor, der auf ihn gewartet zu haben schien. Während andere ihn baten, für die Witwen und Waisen zu spenden, was er gerne tat, erklärte der Mann in gebrochenem Englisch, die Art des Wirtschaftens sei an allem schuld. Es würde so billig so viel produziert, dass die Wirtschaft regelmäßig kollabiere. Die nächste Absatzkrise durch Überproduktion und mangelnde Kaufkraft komme in drei Jahren, sie werde schlimmer als die letzte und würde unweigerlich in eine große Revolution münden.
    Ein gut gekleideter Mann mit Hut und Stock, der sich Faraday nicht vorgestellt hatte, mit dem anderen aber offenbar schon vorher debattiert hatte, fiel ihm ins Wort:

Weitere Kostenlose Bücher