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Die Entfuehrten

Titel: Die Entfuehrten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Peterson Haddix
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Arm.
    »Du kannst mein Handy benutzen«, sagte er. »Dad hat meine Freiminuten gerade verdoppelt. Um mich zu bestechen, nehme ich an. Als könnte er damit wiedergutmachen, was er dreizehn Jahre lang vor mir geheim gehalten hat! Als ob es darauf ankäme! Als könnten ein paar Minuten so viele Jahre ausgleichen! Ich werde das Limit sowieso überziehen. Wenn du das Handy nicht benutzt, rufe ich einfach irgendeinen Ansagedienst an und lass das Telefon ein paar Stunden eingeschaltet . . .«
    Jonas fragte sich, ob Chip gerade in einen Schockzustandabdriftete. Es kam ihm ein wenig verantwortungslos vor, ihn, so wie er daherplapperte, allein zu lassen, also nahm er das angebotene Handy. Er wählte die Dienstnummer seines Vaters.
    »Hallo, Jonas, mein Junge«, sagte Dad ein wenig zu herzlich, sobald Jonas ihn begrüßt hatte. »Hattest du einen guten Tag in der Schule?«
    »Ich glaube, ich habe in Sozialkunde eine Eins geschrieben«, sagte Jonas und versuchte, so zu klingen, wie er an einem ganz normalen Tag eben klingen würde.
    »Super!«, sagte sein Vater mit viel zu viel Begeisterung.
    Einen Moment lang schwiegen beide.
    »Also«, sagte Dad. »Ich habe heute wie versprochen die Adoptionsagentur angerufen.«
    Er machte eine Pause. Jonas wusste, dass er etwas wie »Oh, danke, Dad« oder »Wirklich? Das hättest du aber nicht tun müssen, Dad« oder einfach nur »Ach ja?« hätte sagen sollen. Aber er stellte fest, dass sein Mund plötzlich viel zu trocken war, um irgendetwas zu sagen.
    »Eva, die Sozialarbeiterin, die uns damals geholfen hat – eine tolle Frau –, ist nicht mehr da«, sagte Dad. »Aber ich habe mit einer anderen Frau gesprochen, die sich deine Akte angesehen hat und . . . in deinem Fall gibt es wirklich neue Informationen.«
    Jonas drückte das Handy fester ans Ohr. Er schwankte ein bisschen.
    »Ach?«, sagte er und diese eine Silbe kostete ihn unglaubliche Mühe.
    »Einen Namen«, sagte Dad. »Die Sozialarbeiterin war ein wenig durcheinander. Anfangs war sie nicht mal sicher, ob sie ihn an mich weitergeben durfte . . . er stammt nicht von deinen leiblichen Eltern, sondern gehört jemandem, der, laut ihren Unterlagen, Informationen über dich hat. Einer Kontaktperson.«
    »Und wer ist das?«, stieß Jonas mit zusammengebissenen Zähnen hervor.
    »Ein Mann namens James Reardon«, sagte Dad. »Und – halt dich fest – er arbeitet für das FBI.«

Acht
    Jonas drehte sich alles vor den Augen. Er presste das Telefon ans Ohr. Normalerweise war er ein großer Fan von Handys. Es war so frustrierend, dass seine Eltern entschieden hatten, nur ein Gerät zu kaufen, das er und Katherine sich teilen mussten, was bedeutete, dass Katherine meistens das Handy und er das Nachsehen hatte. Aber im Moment wünschte er sich etwas deutlich Solideres als ein Handy, um sich daran festzuhalten: ein in Zement gegossenes Telefon vielleicht.
    Stattdessen packte er den steinernen Briefkasten der Winstons.
    »James . . . Reardon?«, wiederholte er benommen.
    Stand sein Name auf einem Haftzettel, der auf meiner Akte klebte?,
hätte er am liebsten gefragt.
Einem gelben Haftzettel wie der in Chips Familiensafe, der wahrscheinlich auf seinen Adoptionsunterlagen geklebt hat? Identische Haftzettel, obwohl Chip über eine andere Agentur vermittelt worden ist und sein ganzes bisheriges Leben in Illinois verbracht hat?
    Jonas war so schwindelig, dass selbst fester Stein kaum ausreichte, um ihn aufrecht zu halten.
    »Jonas?«, sagte sein Vater, der nun besorgt klang.
    Jonas merkte, dass er vermutlich eine ganze Weile geschwiegen und Dads Frage nicht beantwortet hatte, weil er völlig damit beschäftigt gewesen war, seine Schwindelgefühle in den Griff zu bekommen.
    »Ich bin noch da«, sagte er. »Die Verbindung muss einen Moment lang weg gewesen sein.« Im Zweifelsfalle war eben die Technik schuld. Er schluckte und packte die Steine noch fester. »Dieser Mann . . . was weiß er über mich?«
    »Da bin ich mir nicht sicher«, sagte sein Vater. »Die Sozialarbeiterin meinte, sein Name wäre auf höchst ungewöhnliche Weise in die Unterlagen geraten . . .«
    Es war ganz bestimmt ein Haftzettel, dachte Jonas.
    »Sie hat angeboten, ihn anzurufen, aber sie war so durcheinander, dass ich dachte, es wäre vielleicht besser, wenn wir uns selbst mit ihm treffen.«
    Jonas sah Chip an, der genauso durcheinander aussah, wie er sich fühlte. Dabei hatte Chip nur das gehört, was Jonas gesagt hatte.
    »Möchtest du, dass ich das arrangiere, Jonas?«,

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