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Die Entfuehrten

Titel: Die Entfuehrten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Peterson Haddix
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nicht ganzgelähmt, stellte er fest. Er konnte den Hals recken und Katherine über die Schulter sehen.
    Dieser Brief bestand aus einem ganz normalen weißen Blatt. Aufgefaltet stand darauf:

    DU HAST MICH AM MONTAG, DEN 2. OKTOBER, UM 8.35 UHR KONTAKTIERT. ES WAR MIR NICHT MÖGLICH, AM TELEFON IRGENDETWAS MIT DIR ZU BESPRECHEN. WENN DU ZURÜCKRUFST, WERDE ICH ABSTREITEN, DIESEN BRIEF GESCHRIEBEN ZU HABEN, UND ICH WERDE DIR KEINE WEITEREN AUSKÜNFTE MEHR GEBEN. WENN KEINE GEFAHR DROHT, KANNST DU MICH AM SAMSTAG, DEN 7. OKTOBER, UM 15 UHR IM KONFERENZRAUM B DER STADTBÜCHEREI VON LISTON TREFFEN. DORT KÖNNEN WIR REDEN.
    VERSUCHE NICHT, AUF ANDERE WEISE MIT MIR KONTAKT AUFZUNEHMEN. DIES IST DER EINZIGE WEG.

    Es gab keine Unterschrift.

Siebzehn
    »Angela DuPre«, sagte Katherine.
    »Wa-was?«, stammelte Jonas.
    »Von ihr stammt der Brief«, sagte Katherine überzeugt und wedelte Jonas damit vor der Nase herum. »Weißt du noch, Chip, sie war die Einzige auf der ganzen Zeugenliste, die – ich weiß nicht – irgendwie reuig wirkte, als sie auflegte. Ist
reuig
eigentlich ein Wort?«
    Jonas interessierte das im Moment nicht besonders.
    »Na ja, es könnte doch auch – wie hieß die andere Frau noch mal? – Monique Waters gewesen sein, oder nicht?«, meinte Chip.
    »O nein«, sagte Katherine. »Der hat es Spaß gemacht, aufzulegen. Sie war eiskalt.«
    »Und der Fluglotse hat mit dir geredet, nicht mit mir«, sagte Chip. »Daher würde er mir auch keinen Brief schreiben.«
    »Außerdem ist das hier hundertprozentig eine Frauenschrift. Garantiert«, meinte Katherine.
    Jonas ging ihre kleine Nachwuchsdetektivnummer allmählich auf die Nerven.
    »Dann willst du also hingehen?«, fragte er. »Am Samstag?«
    Chip und Katherine hörten auf zu reden und starrten ihn mit offenem Mund an. Keiner von beiden sah damit besonders gut aus.
    Dann fing Katherine an zu lachen.
    »Na klar«, sagte sie. »Das müssen wir doch!«
    »Die Frau ist eine Fremde«, sagte Jonas. »Sie hat nicht mal ihren Namen druntergeschrieben. Sie redet nicht mit dir am Telefon und hört sich an wie eine Verrückte. Auf die Art werden Entführungen eingefädelt.«
    »Aber sie hat Informationen«, sagte Chip. »Vielleicht weiß sie, wer ich bin.«
    Chip klang so jämmerlich, dass Jonas nichts mehr sagen konnte.
    »Wenn man jemanden entführen will, verabredet man sich nicht in einer Bücherei«, wandte Katherine ein. »Im Konferenzraum B haben früher, als ich noch klein war, meine Pfadfinder-Treffen stattgefunden. Er ist auf drei Seiten verglast und man muss durch die ganze Bücherei, um hineinzukommen. Er ist wirklich sicher.«
    Jonas zuckte die Achseln. Ihm war merkwürdig schwindelig, so wie damals in Florida, als ihn die Brandung ins Meer gerissen hatte und die kläglichen Schwimmzüge, die er im Schwimmbad von Liston gelernt hatte, dem Sog, der ihn ins Meer hinauszog, nicht gewachsen gewesen waren.
    Damals war sein Dad ins Wasser gesprungen und hatte ihn gerettet.
    Jetzt kann er mich nicht retten, dachte Jonas verzweifelt. Wir können Mom und Dad nichts von alledem erzählen. Weder dass wir uns mit einer Fremden treffen noch dass wir fremde Leute angerufen oder geheime Unterlagen fotografiert haben.
    »Außerdem«, sagte Katherine gerade, »sind wir zu dritt und kein Erwachsener kann drei Kinder gleichzeitig entführen.«
    »Woher willst du wissen, dass sie niemanden mitbringt?«, fragte Jonas im gleichen Moment, in dem Chip sagte: »Was ist, wenn es sie verschreckt, uns alle drei zu sehen? Sie klingt ein bisschen schräg. Ich denke, ich sollte lieber allein auftauchen.«
    »Auf jeden Fall gehen wir alle hin«, sagte Katherine. »Daran ist nicht zu rütteln!«
    Sie hatten weder an diesem Nachmittag noch am nächsten Gelegenheit, irgendwelche Kinder von der Liste der Überlebenden anzurufen, weil sie viel zu beschäftigt waren, ihre Strategie für das Treffen mit Angela DuPre zu besprechen (falls sie wirklich die Absenderin des Briefes war). Am Samstagvormittag hatte Jonas ein Fußballspiel und Katherine Klavierstunde, doch um zwei Uhr nachmittags standen beide mit ihren Fahrrädern in der Auffahrt zu Chips Haus und warteten. Jonas vertrieb sich die Zeit mit Gleichgewichtsübungen, nahm zuerst auf der linken Seite dieFußspitze vom Asphalt und dann auf der rechten. So konnte er das Rad mehrere Sekunden lang in der Balance halten, ohne den Boden zu berühren.
    Solange er sich auf dieses kleine Spiel konzentrierte, musste er nicht darüber nachdenken, dass

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