Die Entführung der Musik
senden Geschwindigkeit ins Wasser tauchten, daß es fast schon lä- cherlich wirkte.
»Wenn wir es schaffen, ihre verschwundenen Lieder zu finden«, kommentierte Mudge nachdenklich, »können wir vielleicht 'n paar von diesen aufgedunsenen blauen Kerlen dazu verlocken, uns nach 'arakun zu begleiten. Die 'aben so ihre Art, unliebsame Besucher ab- zuschrecken, kann man schon sagen.«
»Wir müssen ihre Musik nicht nur finden, wir müssen sie ihnen auch zurückgeben.« Gedankenverloren fingerte Jon-Tom an den Sai- ten der Duar herum. »Wo versteckt man Musik? In einem Kasten, in einer verstöpselten Flasche, in einer verzauberten Schallplatte? Zu meiner Ausbildung als Bannsänger gehörte es, mit Clodsahamp zu- sammen solchen Fragen nachzugehen. Jede Speichervorrichtung, die man sich ausdenken kann, kann man auch herstellen. CD-ROM zum Beispiel.«
»Was 'n das?« Der Otter verzog das Gesicht. »Eine Art von beson- derem Raum?«
»Ein sehr kleiner Raum. Man muß wissen, was man tut, wenn man den Zugang zu dieser Art von Speicher sucht. Die Abkürzung steht für ›Chaos-Dämonen - Rekonstruktion Offensiver Monster‹. Man muß sie sorgfältig behandeln und darf sie nur am Rand berühren. Es gibt noch eine Menge andere Behälter, die Musik festhalten könnten. Sie zu fin- den, ist nicht das Problem, der Zugang dagegen oft.«
»Du wirst schon damit zurechtkommen, Kumpel. Da bin ich mir si- cher.«
Jon-Tom sah den Freund überrascht an. »Was ist los, Mudge? Es sieht dir gar nicht ähnlich, mir soviel Vertrauen entgegenzubringen.«
»Oh, so is es gar nich«, erwiderte freundlich der Otter. »Aber ich weiß, daß jeder 'exergegner an deiner Unberechenbarkeit scheitern muß, die einfach da'er kommt, daß du selber in der Regel nich die ge- ringste Ahnung ‘ast, was du eigentlich machst. Siehste, wenn du nich weißt, was du tust, dann kann auch der oder das, womit du kämpfst, deine nächste Bewegung nich vor'ersehn.« Das war nicht nur ein zweifelhaftes Kompliment, es war eindeutig auf den Kopf gestellt.
»Weißte, Kumpel, als wir diesen kleinen Bummel angefangen 'a- ben, wollten wir nur 'n paar Schnipseln unterwandernder Musik da'in folgen, wo'in sie uns in ihrer Aufregung führten. Ich weiß nich, wie du es siehst, aber mir fällt auf, daß die Dinge 'n bißchen schwieriger ge- worden sind, als ursprünglich geplant war.«
Jon-Tom grinste zu seinem schnurrhaarigen Freund hinunter. »Ist es nicht immer so... Kumpel?«
XX
Am fünften tag tauchte die Insel auf. Von der einladenden niedrigen Sandinsel, auf der die Reisenden das Boot repariert hatten, unterschied sie sich ganz erheblich. Sie war ein aus nacktem schwarzen Basalt und zerfallendem Schiefer emporgewachsener Alptraum, und mit hochauf- ragenden Gipfeln griff sie nach den bleichen Wolken, die sich ver- zweifelt um ein Entrinnen bemühten.
Das Vulkanfeuer, das die inneren Felsspitzen geformt hatte, war schon lange erloschen. Im Lauf von Äonen hatten Regen und Wind den Hauptkrater und die ihn umgebenden Bimskegel ausgehöhlt und scharfkantige Furchen hineingegraben. Unmerklich löste die Insel sich in den Ozean hinein auf.
Die Wellen schlugen gegen schwarze Klippen, die sich hundert Fuß und mehr steil aus der glasigen grünen See erhoben. Die Wale führten sie erst nach Süden und dann nach Südwesten, so daß sie auf die Lee- seite der verlassenen Landmasse kamen, wo die aufgeregt wogende See ruhiger wurde. Die zerborstenen, verstreuten Blöcke eines Lava- riffs dämpften die Wucht der Dünung noch mehr.
Noch einmal legte sich der ehrwürdige Buckelwal längsseits. »H IER IST DIE S TÄ T T E .«
»H IER IST DER O R T !« donnerte auch der düstere Chor der anderen Wale.
»Hier ist er, hier ist er!« sangen die kleineren Delphine und Tümm- ler.
Mudge wandte sich von der forschenden Betrachtung der ein- schüchternden Insel ab und seinem Freund zu.
»Ich kann mich irren, Kumpel, aber mein untrüglicher Instinkt sagt mir, daß wir wahrscheinlich angekommen sein könnten.«
Wo angekommen? fragte sich Jon-Tom. Die Insel vor ihnen wirkte ganz und gar schauerlich und bedrohlich.
» W EITER KÖNNEN WIR NICHT MITKOMMEN «, erklärte der Buckelwal .
»S CHON JETZT IST DAS W ASSER zu FLACH FÜR UNS . A BER IHR DÜRFT HIER NICHT ANHALTEN . S UCHT UNSERE L IEDER UND GEBT SIE UNS ZURÜCK . «
»S UCHT UN S ERE L I E D E R UND G E BT SIE UNS Z UR Ü C K !« flehte ihn der gewaltige Chor der schwimmenden Säugetiere an.
»W IR BLEIBEN UN M ITTELBAR HINT E R
Weitere Kostenlose Bücher