Die Entführung der Musik
und die an Bord Zurückgebliebenen nicht mehr hörten, lief Mudge zu alter Form auf.
»Was zum Teufel tu ich 'ier? Welche Umstände 'aben uns an diesen traurigen Ort verschlagen, Kumpel?«
Jon-Tom legte sorgfältig seine Ruder ins Boot. »Deine Eitelkeit - zum einen. Ohnehin hat die dich bis hierhergebracht. Das ist deine Triebkraft für alles: Eitelkeit und Gier.«
Der Otter sah erleichtert aus. »Gott sei Dank! Einen Moment lang 'atte ich wirklich gedacht, es war mit mir zu Ende.« Er grinste breit: »Männlich 'at sie mich genannt.«
»Das hat sie. Wenn der eine Appell versagt, muß man einen ande- ren ausprobieren.« Er wischte sich das Salz von den Händen. »Komm, gehen wir.«
Der Otter sah sich um. »Gehn? Wo'in?«
»Dahin, wo wir schon die ganze Zeit hingehen.« Jon-Tom zeigte auf die Akkordwolke. Sie schwebte ungeduldig direkt vor dem äußers- ten Rand des verkrüppelten Pflanzenwerks.
»Willst du wirklich 'nem 'aufen unverständiger Töne folgen?«
»Ja, das will ich wirklich.«
»Warum bin ich nur nich überrascht?« Der Otter legte den Kopf in den Nacken und betrachtete den Weg, der vor ihnen lag. »Geh's lang- sam an, Kumpel. Du weißt, daß ich mit diesen Beinen kein großer Kletterer bin. Das is 'n Sport, in dem ihr Menschen meiner Art überle- gen seid.«
Jon-Tom setzte sich in Bewegung. »Keine Angst. Ich helfe dir über die schwierigen Stellen.« Als er merkte, daß er sich allein vorwärts- bewegte, blieb er stehen und schaute zurück. »Nun komm schon!«
Mit der Schuhspitze zeichnete Mudge gedanken verloren ein Muster in den Sand. »Ich könnt 'ierbleiben un das Beiboot bewachen. Wir wollen doch nich 'ilflos un allein 'ier zurückbleiben, oder?«
»Dann schwimmen wir eben die kleine Strecke. Komm schon. Was ist mit deiner gerühmten Männlichkeit?«
Widerstrebend setzte der Otter sich in Marsch. »Ich schätz, die 'ab ich noch. Will nur sichergehn, daß ich sie auch be'alt, das is alles. Paar von den Situationen, wo du uns reinbringst, sind nich grad einfach.«
Auf dem sicher verankerten Schiff machten derweil die Soldaten sauber und räumten so gut wie möglich auf, während die Prinzessin- nen sich zu einem Schwätzchen beim Heck versammelten.
»Endlich!« Seshenshe war sichtlich erleichtert. »Ich dachte, wir würden diesen Otter nie in Gang setzen.«
Aleaukauna war der gleichen Ansicht. »Ja. Und hast du gemerkt, wie er einen anschaut? Er glubscht wie mit Eulenaugen. In diesem Anstarren liegt aber auch gar nichts Zurückhaltendes.«
Quiquell feilte sich die Nägel, »das wort zurückhaltung findet sich nicht im Vokabular dieses Otters, zumindest nicht, wenn es sich um mitglieder des anderen geschlechts handelt.«
»Vielleicht bildet ihr euch das alles nur ein.« Umagi lag auf dem Deck ausgestreckt und saugte die Sonnenwärme in sich auf. »Oder ihr bewertet es zu streng. Daß er mich nicht so anschaut, weiß ich.«
Seshenshe und Quiquell wechselten einen Blick und ein heimliches Kichern, während Pivver die Stimme erhob. »Oh, ich weiß nicht. Ich finde, er ist irgendwie süß.«
»Er ist von deinem Stamm, das ist verständlich«, bemerkte Aleau- kauna.
»Aber nicht verzzeihlich.« Noch immer kicherte Seshenshe.
»Du kannst ihn haben.« Ansibette schüttelte sich mit leichtem Schaudern. »Männliche Otter sind einfach so... so...«
»So was?« forderte Pivver sie heraus.
»So beharrlich. Denken sie denn nie an etwas anderes?«
»Etwas anderes als was?« Pivver ließ nicht locker.
»Als Fisch. Von nichts anderem spricht er. Fischarten, Fischrezepte, Fischfang. Außerdem riecht er auch noch nach Fisch. Er ist besessen von Fisch.«
»Meinst du?« Pivver lächelte weise. »Da muß ich dir die Entschei- dung überlassen, Schwester Ansibette. Die Beobachtungsgabe von euch Menschen erstaunt mich immer wieder.«
»Nun ja, ich meine, es ist einfach so offensichtlich«, murmelte An- sibette.
»Oh, eindeutig«, stimmte Pivver zu.
»Leutnant?« Pauko stand achteraus und schaute auf die Lagune. Naike trat zu ihm.
»Siehst du etwas, Soldat?«
»Einen Schimmer, Sir. Nicht in unserer Nähe. Es ist ziemlich weit draußen, noch hinter dem Riff.« Noch genauer schaute er mit seinen außergewöhnlich scharfen Augen. »Es sieht irgendwie beinahe be- kannt aus.«
Die chitingepanzerte insektenähnliche Gestalt, die sich in der pul- sierenden Wolke abzeichnete, hatte gerade genug Zeit, ihre Umge- bung zu begutachten und in ihrer eigenen Sprache das Äquivalent ei- nes »Oh,
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