Die Entfuehrung der Wochentage
Zimmer, wir reden morgen weiter.«
Seine Gelassenheit machte sie vollkommen irre. Er schien sich durch nichts aus der Fassung bringen zu lassen. Er war ein wirklich unheimlicher Mann. Kühl, taktisch, beherrscht. Alles gefährliche Eigenschaften, wenn man sie einem Geisteskranken zuschrieb.
Seine Finger umschlangen ihren Oberarm und der Griff sprach dafür, dass jeglicher Fluchtversuch zwecklos war. Unfreiwillig stolperte sie hinter ihm her. Sie war dabei bemüht, sich möglichst viel ihrer Umgebung einzuprägen. Falls sich die Gelegenheit doch noch ergeben sollte, wollte sie wissen, wo sie sich befand und wie sie hier wieder herauskam.
Er zog sie durch einen schmalen Gang, vorbei an morschen Türen. Es roch schimmelig. Sie drehte ihren Kopf. Überall, wohin sie sah, waren nur geschlossene Türen. Kein einziges Fenster. Ohne die künstliche Beleuchtung wäre der Gang stockdunkel gewesen.
»Ach Sofia«, tadelte er sie. »Schau dich ruhig um, wenn du willst und es dir Sicherheit verschafft, aber glaube mir, ich bin zu lange im Geschäft, um Fehler zu begehen.«
»Jeder macht mal Fehler«, antwortete sie ihm.
Mit einem harten Ruck hielt er an. Sie wäre beinahe gegen seinen breiten Rücken geprallt. Eine seltsame Melancholie überschattete seine Augen. »Kann sein, aber es kommt auch darauf an, wer ihn zuerst macht, vergiss das nicht. Erwische ich dich dabei, Dummheiten zu machen, wirst du das bitter bereuen. «
»Du wirst mich doch so oder so umbringen, nicht wahr?« Tränen kullerten über ihre Wangen hinab und ihr Herz schlug rasend schnell in ihrer Brust, so sehr, dass es schmerzte.
Er schwieg, stattdessen öffnete er eine Tür, die im Gegensatz zu den anderen stabil wirkte. Er machte eine einladende Geste. »Vielleicht muntert dich ein wenig Gesellschaft auf.«
Sie wollte gerade ihren Mund öffnen, um ihm vehement zu widersprechen, da befand sie sich schon im Raum und die Tür schlug hinter ihr zu. Als sich ihre Augen endlich an das schummrige Licht gewöhnt hatten, sog sie erschrocken die Luft ein. In ihrem Zimmer, wie er es so schön genannt hatte, standen zwei Käfige. In dem einen Stahlquadrat saß eine junge Frau, sie war gefesselt und hatte eine seltsame Haube auf, die nur den Mund freiließ. Aber selbst da steckte ein Knebel drinnen, der wiederrum ein Loch hatte, durch das sie atmen konnte. Der andere Käfig war leer und sie konnte sich vorstellen für wen man den reserviert hatte. Sie näherte sich behutsam dem Stahlverschlag der Frau und streckte ihre Hand aus, doch als sie die Gefangene berührte, zuckte diese erschrocken zusammen und ein gurgelnder Laut drang aus ihrer Kehle.
»Keine Angst«, beschwichtigte sie die Frau, aber diese drückte sich weiterhin in die hinterste Ecke ihres Gefängnisses.
»Ich tue dir nichts, ich gehöre nicht zu denen«, erklärte Sofia eindringlich. Die Frau schnaufte abwehrend.
Sofia tastete die Gitterstäbe ab, ihre Finger blieben an dem massiven Schloss, das den Ausgang versperrte, hängen. Sie konnte nichts tun.
Mutlos lehnte sie sich gegen die Wand und starrte zu der Frau hin, die dort verängstigt kauerte und wie sie selbst in eine ungewisse Zukunft schaute. Ein Schauder lief über ihre Haut. Ja, sie hatte tatsächlich mit einem zu hohen Einsatz gespielt, aber wie hätte sie wissen können, dass ihr engster Vertrauter ihr größter Feind war.
Leon, du Schuft , dachte sie hasserfüllt und ballte ihre Hände zusammen.
Schlaflos und mit brennenden Augen tigerte sie in dem kleinen Raum und um den Käfig herum. Die Gitterstäbe glänzten in einem abweisenden Chromglanz. Was für eine perfide Art sie gefügig zu machen, dachte sie und trat wütend gegen das Käfiggitter. Die arme Frau darin schreckte hoch und Sofia bereute ihren Ausbruch.
»Sorry. Keine Panik. Das war nur ich.« Wohl ein schwacher Trost für die Gefangene, deren Atem schneller ging. Sofia fasste sich an ihre Stirn, sie musste sich beherrschen und einen kühlen Kopf bewahren.
Man hatte sie noch nicht getötet. Irgendwas wollten ihre Entführer von ihr, was sie noch nicht hatten.
Sie ging im Geiste die Informationen durch, die sie in den letzten Monaten gesammelt hatte. Sie hatte herausgefunden, dass ihre Regierung mit Marelando, dem Schurkenstaat, zusammenarbeitete. Gelder, Drogen und sogar Sklaven waren als Bestechungsmittel großzügig verteilt worden. Jeder wusste, dass die kleine Insel Sklaven- und Drogenhandel betrieb und über effektive Waffen verfügte, die die anderen Staaten über
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