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Die Entführung in der Mondscheingasse

Die Entführung in der Mondscheingasse

Titel: Die Entführung in der Mondscheingasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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210-Schlüssel
sein Uckmann-Zimmer zu öffnen. Aber dann bezog er die andere Behausung und ging
gleich ins Bad, um sich im Spiegel zu beglotzen.
    „Bist ‘n toller Typ, Alter!“ Er grinste
durch seinen Graubart.
    Es klopfte.
    Nur keine Nervosität! Oder hatte er
sein Goldfeuerzeug mit den G. U.-Initialen (Anfangsbuchstaben) an der
Rezeption liegengelassen?
    Es war der Hausdiener.
    „Grüß Gott!“ grinste er breit. „Unsere
Empfangsdame hat vergessen, Ihnen das Anmeldeformular auszuhändigen. Wenn Sie’s
bittschön ausfüllen möchten. Es eilt aber nicht.“
    Heyse nickte. „Ich werde es nachher an
der Rezeption abgeben“, flüsterte er.
    Was er dann niederschrieb, entsprach
zwar den Angaben in seinem — gefälschten — Reisepaß, war aber erlogen.
    Er verstellte die Schrift. Alle
Buchstaben taumelten nach links, hatten Knicke und wirkten geradezu
unterernährt — verglichen mit Uckmanns Handschrift.

5. Pistole auf dem Nachttisch
     
    Im großen Restaurant hatten
Holzschnitzer und Kunsttischler ihre besten Ideen verwirklicht.
    Es war wirklich toll. Tarzan hätte
beinahe auf die Vorsuppe verzichtet — nur, um sich in Ruhe alles ansehen zu
können. Doch dann nahm er seinen Platz ein — am Sechser-Tisch, wo sie zu fünft
saßen. Es war einer der besten Tische. Jedenfalls stand er so, daß man das
Restaurant überblicken konnte, andererseits aber ungestört blieb, weil man an
der Seitenwand unter dem Geweih eines mächtigen Achtzehn-Enders saß.
    Vor 22 Jahren sei der Hirsch einem
Waidmann vor die Mündung gelaufen, erklärte Xaver Zinke-Schollau und wünschte
seinen Gästen guten Appetit.
    „Den habe ich“, meinte Klößchen und
blickte erwartungsvoll in Richtung Küche.
    „Unbegreiflich!“ Karl schüttelte den
Kopf. „Du hast doch eben einen Berg Schokolade vertilgt.“
    „Na und? Das war Schokolade. Schmeckt
die vielleicht nach Nudelsuppe oder Hirschbraten? Ob der Braten“, Klößchen
senkte die Stimme, „von dem stammt?“ Er wies mit dem Messer, das er bereits in
der Hand hielt, zu dem Achtzehn-Ender hinauf.
    „Spinnst du?“ fragte Gaby. „Der Hirsch
wurde vor 22 Jahren erlegt.“
    „Und wenn sie ihn tiefgefroren haben,
den Hirsch?“
    „Warum sollten sie“, meinte Tarzan. „Ein
Hirschbraten ist keine Mumie. Und daß du heute Gast bist, konnte damals niemand
wissen. Sonst hätten sie, um dich satt zu kriegen, den letzten Mammut (gegen
Ende der Eiszeit ausgestorbener Riesen-Elefant) tiefgefroren, der hier
erlegt wurde.“
    Glockner schmunzelte. „Nun hackt nicht
auf Willi rum“, meinte er. „Er soll mit Appetit essen. Weißt du übrigens,
Willi, daß du hier einen anderen Spitznamen hättest?“
    Klößchen sah ihn fragend an.
    „Hier heißen Klöße Knödel. Also würde
man dich Knödelchen nennen.“
    „Schrecklich!“ Klößchen lachte mit den
andern. „Da bleibt mir buchstäblich der Kloß im Hals stecken.“

    Das Restaurant füllte sich. Der Hunger
trieb die Hausgäste herein.
    Tarzan saß neben Gaby und merkte, wie
eifrig sie spähte. Auch er wollte wissen, ob Breitgesicht — der eklige Spucker
— in der Nähe saß. Aber er saß nicht. Er saß überhaupt nirgendwo — jedenfalls
nicht hier.
    „Vielleicht schämt er sich“, meinte
Tarzan leise.
    Gaby begriff, daß er ihre Gedanken
erriet. Durch ihre langen Wimpern lächelte sie ihn an. Auch der Pony war lang
und noch etwas feucht vom Schwimmen. Aber sie sah hinreißend aus. Der weiße
Pullover und die Edeljeans waren wie eigens für sie entworfen.
    Während sie aßen, kam Zinke-Schollau
abermals an den Tisch und erkundigte sich, ob alles munde.
    Man war des Lobes voll. Klößchen
meinte, er werde nachher dem Küchenmeister Theo Rennberg die Hand schütteln.
Einem Kochmützen-Künstler wie diesem müsse man persönlich danken.
    „Da wird er sich freuen“, lächelte der
Hotelier. Er wandte sich an Glockner. „Daß Sie hier sind, hat sogar die Presse
in Ihrer Heimatstadt vermerkt. Wir wurden vorgestern angerufen. Von einem
Plerrn... äh... Ach so, er sagte seinen Namen so undeutlich, daß ich ihn leider
nicht verstand. Jedenfalls wollte er wissen, ob Sie an diesem Wochenende unser
Gast sind — oder wann sonst.“
    Gabys Vater schob die Brauen zusammen. „Hm.
Wer soll das gewesen sein? Naja, wenn’s weiter nichts war.“
    Zum Nachtisch gab es Schokoladenmus,
und Klößchen schwelgte.
    Allmählich leerte sich das Restaurant.
Der Hotelier setzte sich zu Kommissar Glockner an den Tisch und ließ seinen
besten Wein

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