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Die Entführung in der Mondscheingasse

Die Entführung in der Mondscheingasse

Titel: Die Entführung in der Mondscheingasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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da läßt man Wohnungen leerstehen? Nie. Daß
Uckmann nicht zurückkommt, wissen die Leute. Das hat man ihnen polizeilicherseits
mitgeteilt — mit der Auflage, den Schnabel zu halten. Uckmanns Wohnung wurde
einem Immobilienmakler übergeben — zwecks Wiedervermietung. Aber Herrn
Zabrawodki war sie zu teuer.“
    „Häh?“ fragte Tarzan. „Wer ist
Zabrawodki?“
    „Ein junger Dozent (Hochschullehrer), ein Kollege meines Vaters, des Herrn Professors. Herr Z. — ist einfacher,
nicht? — beginnt mit dem Sommersemester seine segensreiche Tätigkeit hier an
der Uni, hat aber noch keine Wohnung, sucht also eine. Zufällig hörte ich, wie
er sich gestern mit meinem Vater unterhielt. Der Immobilienmakler Meyer hat ihm
eine Luxusbehausung angeboten, im zwölften Stock des langen Theos. Da
schnallste ab, was?“
    „Und?“ rief Klößchen. „Hat er Uckmanns
Wohnung genommen? Es kann doch nur die sein?“
    „Ist sie. Der Vormieter heiße Uckmann,
wußte Z. — genommen hat er sie nicht. Weil er so hohe Miete nicht zahlen kann.
Schließlich ist er Geistesarbeiter und kein Ganove. Oder habt ihr schon mal
gehört, daß ein Geistesarbeiter Millionenbeute einfährt?“
    „Nicht, wenn er ehrlich ist“, sagte
Tarzan. „Aber jetzt müssen wir den Kommissar verständigen. Damit er weiß, wie
das läuft mit der Wohnung.“
    „Weiß er“, winkte Gaby ab. „Leider kann
die Polizei nicht verlangen, daß die Wohnung leersteht — als Falle. Sonst müßte
das Polizei-Präsidium für die Monatsmiete aufkommen. Papi hofft darauf, daß so
schnell kein Mieter anbeißt. Denn wenn erstmal ein Herr Zauberwodka...
    „Zabrawodki“, verbesserte Karl.
    „...oder Lücke-Nollendorf oder Schulze
drin wohnt, ist es nichts mehr mit dem Plan.“
    Die Jungs nickten. Der alte Haß stieg
in ihnen auf. Uckmann war immer noch der Feind Nr. 1, weil sie zur Zeit keinen
anderen hatten. Unbeliebte Pauker, Ladendiebe oder Schlägertypen aus feindlichen
Jugendbanden waren kleine Fische — verglichen mit ihm.
    „Ich schlage vor“, meinte Tarzan, „wir
schauen nach der Mittagssättigung mal beim langen Theo rein. Gebongt?“
    „Wollen wir so tun, als wären wir
Mieter?“ fragte Klößchen.
    „Glaubst du, die wollen die Wohnung an
eine Kommune (Wohngemeinschaft Ausgeflippter) vergeben?“ pfiff Gaby ihn
an.
    „Sehen wir denn aus wie eine Kommune?“
wehrte er sich.
    „Jedenfalls nicht wie eine Familie. Und
schon gar nicht wie Mieter, die soviel Kohle übrig haben.“
    „Fahren wir nun hin?“ wollte Tarzan
wissen. „Ja oder nein?“
    „Ihr könnt euch ja umtun“, sagte Gaby. „Vielleicht
komme ich später nach. Falls ich’s noch schaffe.“
    „Hast du keine Zeit?“
    „Oskar ist bei Frau Feinschnitt
angemeldet. Ihm muß wiedermal das Fell gestutzt werden, damit er nicht zu sehr
hechelt bei der Hitze.“
    „Frau Feinschnitt?“ forschte Klößchen. „Ist
das eine Hundefrisöse?“
    „Ist sie.“
    „Ich denke, Oskar geht immer in den
Salon Pudelwohl.“
    „Bisher ja. Aber dort hat der
Hundefrisör gewechselt. Der neue nimmt nur noch Pudel an, weil er auf deren
Fell spezialisiert ist. Frau Feinschnitt kann sich auf jeden Vierbeiner
einstellen. Sie rasiert Doggen, wenn’s sein muß, schneidet dem Schnauzer den
Bart und dem Neufundländer einen Irokesen. Hoffentlich kommt das nie in Mode.“
    Gaby zog den Kragen ihrer Bluse
auseinander und stützte, zurückgelehnt, die Hände auf den Rasen. Mit
geschlossenen Augen hielt sie das Gesicht in die Sonne.
    „Bin ich eigentlich schon braun?“
    „Seeehhhhhr“, bestätigte Tarzan. „Heh,
du trägst ja den Halbmond. Und die zweite Spitze ist dran.“
    Er meinte das UR-Kettchen, das er auf
dem Spielplatz gefunden hatte. Es war auf Hochglanz poliert und hing an Gabys
zartem Hals. Die Sonnenstrahlen schossen sich darauf ein und wurden blitzend
gespiegelt.
    „Unser Uhrmacher“, berichtete sie, „hat
dem Halbmond die abgebrochene Spitze wieder angelötet — oder wie man das macht.
Er sagte, er könne auch das U und das R rausschleifen und mein GG einritzen.
Aber das wollte ich nicht.“
    „Warum nicht?“ fragte Klößchen.
    „Vielleicht begegne ich dem Mädchen,
das die Kette verloren hat. Dann kann ich sie zurückgeben.“
    „Also, das täte ich nicht“, meinte
Klößchen. „Soviel Ehrlichkeit ist doch gar nicht mehr üblich — heutzutage.“
    „In der Beziehung bin ich altmodisch“,
wies ihn Gaby zurecht.

12. Die gleiche Stimme
     
    Sogar im Schatten war es heiß.
Klößchens

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