Die Entfuehrung
auf ihn zu, umarmte ihn voller Erleichterung und sagte sanft: »Danke. Gott sei Dank. Du hast mir einen höllischen Schrecken eingejagt, ich dachte schon, du verlässt mich.«
Er trat einen Schritt zurück und sah ihr in die Augen. »Hattest du Angst, dass ich dich verlasse, Allison? Oder hattest du bloß Angst, dass ich dich vor der Wahl verlasse?«
Seine Worte trafen sie wie ein kalter Wasserstrahl. Ganz tief in ihrem Herzen wusste sie, dass beides stimmte. Aber das bedeutete nicht, dass sie ihn weniger liebte. »Meine Gefühle für dich haben nichts mit Politik zu tun.« Er lächelte, führte sie zum Bett und zog sie neben sich auf die Bettkante. Er drückte ihre Hand, als er mit ihr sprach.
»Ich habe viel nachgedacht in den letzten vierundzwanzig Stunden. Ich glaube, dass dieser Ehebruchskandal zumindest teilweise auch mein Fehler war.« »Dein Fehler?«
»Ja. Tatsache ist, dass die Leute sich unweigerlich Fragen über unsere Ehe stellen, wenn sie mich nie mit dir zusammen sehen. Du brauchst dir nur anzusehen, wie Lincoln Howes Frau dauernd in Sachen Wahlkampf unterwegs ist. Dass ich nicht die typische First Lady bin, heißt doch noch lange nicht, dass ich mich selbst unsichtbar machen sollte.«
»Aber du hast dich nicht selbst unsichtbar gemacht. Ich habe mich nur nicht genug darum bemüht, dich einzubeziehen.«
»Du möchtest gerne, dass ich mich beteilige, stimmt's?« »Ja, das stimmt. Aber ich habe es so kompliziert gemacht, zumindest in meinem Kopf. Du weißt ja, dass ich nach Emilys Verschwinden ein totales Wrack war. Innerhalb einer Nacht habe ich mich von einer Karrierefrau, die dachte, sie könnte alleine ein Kind großziehen, verwandelt in - ach, ich möchte überhaupt nicht mehr darüber nachdenken. Du bist derjenige, der mir geholfen hat weiterzuleben. Du hast mir dabei geholfen, jeden Morgen aus dem Bett zu kommen, aufzustehen, wieder ein normales Leben zu führen. Ich habe dich so gebraucht, wie ich nie jemanden gebraucht habe. Aber niemand kann es dabei belassen, ständig jemanden zu brauchen. Zumindest wenn man seine Selbstachtung nicht verlieren möchte.«
»Das klingt ja fast schon, als hättest du einen Groll auf mich.«
»Nicht im geringsten, Liebling. Ich brauche dich immer noch, nur auf andere Weise. Ich glaube, etwas in mir möchte einfach sagen können, hallo, da bin ich wieder, ich kann das, ich kann das ganz alleine.«
»Ich bitte dich, Allison. Du willst Präsidentin der Vereinigten Staaten werden, nicht die Präsidentin eines Elvis-Fanclubs. Niemand hat etwas daran auszusetzen, wenn du dir ein bisschen Unterstützung von deinem Ehemann holst.«
Sie lächelte schwach, wurde dann jedoch ernst. »Wenn du erst mal mittendrin bist, wirst du zum Freiwild.«
»Das bin ich doch ohnehin schon. Verdammt noch mal, die halbe Welt denkt, dass ich Schlange stehen muss, um mit meiner Frau Sex zu haben. «
Allison ließ ihren Blick sinken.
Er streichelte ihre Wange. »Komm schon, es tut mir leid. Ich will dir doch nur sagen, wie lächerlich ich diese Gerüchte finde, und sage das nicht, um dich zu verletzen. Ich weiß, dass du letzte Nacht abgelehnt hast, diese Frage zu beantworten, um unsere Privatsphäre zu schützen. Du hast Mut bewiesen. Für mich bedeutet es sehr viel, dass du bereit bist, politische Schläge einzustecken, nur um das zu schützen, was uns wichtig ist. Ich habe nie Zweifel an dir gehabt, und dieser ganze Medienzirkus kann mich nicht beunruhigen.«
Allison schmiegte sich noch enger an ihn. Er hatte recht. Sie hatte versucht, ihre Privatsphäre zu schützen. Aber es beruhigte ihr Gewissen nicht vollständig. Tatsache war, dass es Dinge gab, die die Öffentlichkeit nichts angingen. Eigenartige Dinge, die die Medien verdrehen könnten. Nicht Dinge, die sie getan hatte, aber Dinge, die ihr widerfahren waren. Geheimnisse, die sie niemandem erzählt hatte - auch Peter nicht.
»Peter, ich - « Es fiel ihr schwer, auszusprechen, was sie ihm zu sagen hatte.
»Was gibt's?«
Sie legte ihre Arme um ihn und drückte ihr Kinn an seine Schulter. Es war eine taktische Bewegung, eine Möglichkeit, ihn zu umarmen, ohne ihm in die Augen zu sehen. »Ich liebe dich«, sagte sie mit weit offenen Augen.
Sie sah ihm über die Schulter und gab ihm einen Kuss in den Nacken. Sie ließ es dabei bewenden - erst einmal.
Um Mitternacht stand Lincoln Howe in seinem Pyjama im zwanzigsten Stock des Hyatt-Hotels in Houston am Fenster und starrte hinaus. Bis vor zwei Tagen war Texas noch
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