Die Entfuehrung
erschien wieder live auf dem Bildschirm; er stand draußen vor dem FBI-Hauptquartier. »Gerade am heutigen Nachmittag, da die Ermittlungen in Bezug auf Kristen Howes Verschwinden schon den zweiten Tag andauern, bewegen die soeben gehörten Worte der Justizministerin die Herzen aller Amerikaner. Wir können nur hoffen, dass die Sache diesmal glücklicher ausgeht als im Falle von Emily und Allison Leahy.«
Der Moderator antwortete mit gewichtiger Stimme: »Absolut.«
Allison verdrehte die Augen. Absolut - die idiotische Allzweck-Antwort der Fernsehjournalisten, passend zu jeder Gelegenheit. Heißer als die Hölle da draußen heute, nicht wahr, Ted? Der Verkehr ist mal wieder ein Chaos heute Morgen, stimmt's, Jamie? Wir wollen doch hoffen, dass wir als erste dabei sind, wenn sie die Leiche des Mädchens aus dem Gestrüpp herausziehen, was, Jungs? Absolut, absolut, absolut.
Wie schön zu wissen, dass sie sich Sorgen machen.
»Hallo, Liebling.« Peter kam aus dem Esszimmer. Er hatte sich eine Woche frei genommen, um seine Frau im Wahlkampf zu begleiten, aber dadurch, dass sie plötzlich mit anderen Dingen beschäftigt war, hatte er jetzt Urlaub im verrücktesten Sinn des Wortes.
Allison gab ihm einen flüchtigen Kuss und schaltete den Fernseher ab. Sie folgte ihm ins Esszimmer und nahm ihm gegenüber am gedeckten Tisch Platz. Sie war in Gedanken versunken und hatte Mühe, die letzte Bemerkung des Reporters über ein »glücklicheres Ende« abzuschütteln und sich stattdessen auf ihre völlig verunglückte morgendliche Pressekonferenz zu konzentrieren
Peter nippte an seinem Eistee und betrachtete den gestressten Gesichtsausdruck seiner Frau. »Nun«, sagte er, »Wally ist beim Footballtraining, und Beaver muss nachsitzen, weil er in Mrs. Mergatroids naturwissenschaftlichem Unterricht eine Kröte hat frei herumlaufen lassen.«
Allison schüttelte sich, um sich aus ihrem Zustand der Geistesabwesenheit zu lösen. »Wie bitte?« fragte sie, ohne wirklich zuzuhören.
Peter sah sie liebevoll an. »Warum erzählst du mir nicht, was in deinem Kopf vor sich geht?«
Sie seufzte und schwieg, während ihre vielsprachige Haushälterin gebackene Hähnchenbrust in einer »Super Monster«-Sauce servierte, die sich zu Allisons Erleichterung als Senfsoße entpuppte. Nachdem sich die Haushälterin zurückgezogen hatte, erzählte Allison zwanzig Minuten lang, was passiert war, ohne ein einziges Mal ihre Gabel zu heben.
Peter schob seinen halbleeren Teller zur Seite. »Überrascht dich das alles wirklich so sehr? Höher hinaus geht's nicht mehr, und du hast es hier mit von Ehrgeiz besessenen Typen zu tun, die in Washington geschult wurden. Da musst du einfach mit politischen Manövern rechnen.«
»Das ist mehr als nur ein Manöver. Ich habe den Eindruck, dass die ganze Entführung... ausgeschlachtet wird.«
Das Wort hing in der Luft. »In welcher Hinsicht?« fragte er.
»In jeder Hinsicht. Zuerst überfällt mich ein Fotograf am Fluss und versucht, mich als Publicity-süchtig hinzustellen. Dann lanciert die Presse Fotos von Lincoln Howe, die ihn als Schlappschwanz darstellen. Heute Morgen sagt der FBI-Chef mir ins Gesicht, dass Howe ihn beauftragt hat, mich aus den Ermittlungen auszuschalten. Es scheint, dass sich keiner auch nur einen Scheißdreck darum kümmert, Kristen Howes Leben zu retten. Es dreht sich alles nur um die Wahl.
»Wenn das alles wirklich so ist, wärst du vielleicht doch gut beraten, dich aus den Ermittlungen herauszuhalten.«
Sie schüttelte den Kopf. »Begreifst du denn nicht, Peter? Wenn es ihnen gelingt, mich aus den Ermittlungen zu drängen, bringen sie mich in die Verliererposition. Wenn Kristen gefunden wird, werden mich Howes Leute verunglimpfen als die Justizministerin, die gekniffen hat und keinen Finger krumm gemacht hat, um die Enkelin des Gegners zu finden. Aber, Gott bewahre, lass etwas schiefgehen, dann kannst du darauf wetten, dass man mich allein dafür verantwortlich machen wird. Ich bin nun mal die Justizministerin. Die letzte Verantwortung für Kristens Leben liegt bei mir.«
Peter goß sich noch Eistee aus dem Krug nach. »Das hört sich für mich so an, als ob du glaubst, dass die Entführung nicht nur politisch ausgeschlachtet wird. Du scheinst vielmehr zu glauben, dass sie politisch motiviert ist!«
»Was meinst du damit?«
»Ich meine damit, dass alles, was in den letzten vierundzwanzig Stunden passiert ist, vielleicht nicht so sehr die Reaktion einer Bande von politischen Strategen
Weitere Kostenlose Bücher