Die Entfuehrung
sämtliches Beweismaterial zu sammeln, das für eine fundierte Entscheidung über die Frage, ob dieses besondere Verbrechen die Todesstrafe verdient, bedeutsam ist. Wir gehen davon aus, dass die Staatsanwaltschaft der künftigen Regierung das Beweismaterial in Hinblick auf die zu verhängende Strafe entsprechend würdigen wird.«
Er warf Allison einen Blick zu und nahm wieder seinen Platz neben der amerikanischen Flagge ein. Die Reporter drängelten sich nach vorne und riefen ihre Fragen in den Raum. Allison brach die Pressekonferenz kurz entschlossen ab.
»Ich danke Ihnen«, sagte sie. »Das wär's für heute.
Die Reporter stellten zwar weiterhin Fragen, erhielten jedoch keine Antwort. Allison und die Vertreter des Justizministeriums verließen den Raum, gefolgt von O'Doud und seinen Begleitern. Als sie im Flur waren, schob Allison O'Doud in ein leeres Büro und schlug die Tür hinter sich zu. »Was zum Teufel sollte dieser Auftritt?« fragte sie. O'Doud zuckte die Achseln und mimte den Ahnungslosen. »Das ist mein Job.«
Sie baute sich ganz dicht vor ihm auf. »Es ist nicht Ihr Job, über die Todesstrafe zu reden. Das ist eine Entscheidung der Staatsanwaltschaft. Und nicht des FBI.«
»Ich habe keine Entscheidungen getroffen. Ich habe lediglich gesagt, was Sache ist.«
» Sie haben Wahlkampf gegen mich und meine Haltung zur Todesstrafe betrieben. Das hier sollte eine unpolitische Pressekonferenz sein.«
Er trat einen Schritt zurück und brach in schallendes Gelächter aus. »Unpolitisch, dass ich nicht lache. Eine halbe Stunde bevor Sie im nationalen Fernsehen erscheinen, werden der Presse einige mysteriöse Fotos zugespielt, auf denen der General aussieht wie ein greinender Schlappschwanz. Wie wollen Sie das denn nennen? Zufall?«
»Wollen Sie etwa behaupten, ich hätte die Fotos in Auftrag gegeben?«
»Wollen Sie das etwa leugnen?«
Sie lief rot an. »Und ob ich das leugne.«
»Sehr schön. Aber wenn Sie sich das Vergnügen ersparen wollen, diese Anschuldigungen vor der amerikanischen Öffentlichkeit leugnen zu müssen, empfehle ich Ihnen, den Rat zu befolgen, den ich Ihnen von Anfang an gegeben habe. Halten Sie sich aus den Ermittlungen heraus.«
»Habe ich richtig gehört«, höhnte sie, »oder hat hier gerade ein aufgeblasener Wichtigtuer damit gedroht, meinen Namen in der Öffentlichkeit in den Schmutz zu ziehen?«
»Ich drohe überhaupt niemandem. Ich kann ganz einfach nicht zulassen, dass diese Ermittlungen von einer Justizministerin geleitet werden, die möglicherweise mehr daran interessiert ist, eine Wahl zu gewinnen, als ein Verbrechen aufzuklären.«
»Sie können es nicht zulassen?« sagte sie ungläubig. »Sie sind mein Untergebener, O'Doud.«
Er verzog das Gesicht. »Unter den gegebenen Umständen sehe ich das mehr als technische Formalität. Irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, dass der FBI-Chef Gefahr läuft, vom Präsidenten vierundzwanzig Stunden nach der größten Entführung, die das Land seit dem Lindbergh-Baby erlebt hat, gefeuert zu werden. Und irgendwie kann ich mir genauso wenig vorstellen, dass Sie als die Justizministerin aufgespießt werden wollen, die mehr daran interessiert ist, ihre Schäfchen ins trockene zu bringen, als das Leben eines zwölfjährigen Kindes zu retten.«
»Sie sind das unmoralischste menschliche Wesen, das mir je begegnet ist.«
»Sie sind die Politikerin, nicht ich. Sie sind diejenige, die einen Interessenkonflikt hat.«
»Wer zum Teufel hat Ihnen die Autorität verliehen, zu beurteilen, ob ich einen Interessenkonflikt habe?«
Sein Gesichtsausdruck wurde eiskalt. »Das kann ich Ihnen genau sagen«, erwiderte er selbstgefällig. »Der künftige Präsident der Vereinigten Staaten.«
Schweigend sah sie ihm nach, als er den Raum verließ. Sie fühlte sich wie gelähmt. Und allein.
16
Repo schaltete den Fernseher aus und rieb sich die müden Augen. Die Fahrt von Nashville nach Baltimore hatte ihn geschafft, aber er und Tony hatten zu viel Koffein im Blut, um schlafen zu können.
Ohne das Licht des Fernsehers war das Wohnzimmer dunkel. Die alten, schweren Vorhänge ließen die Morgensonne nicht herein. Der grüngemusterte Teppichboden erinnerte Repo an die Wohnung seiner Großmutter, nur war es hier noch enger. Die winzige Einbauküche aus Resopal mit Küchengeräten in goldgelber Farbe war gut vom kombinierten Wohn- und Esszimmer aus zu sehen. Das Original-sechziger-Jahre-Badezimmer lag am Ende des Flurs. Das Elternschlafzimmer, in dem Tony
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