Die Entfuehrung
morgen einen gefälligen Bericht. Ich verwette mein letztes Hemd, dass wir morgen früh irgendeinen Quatsch sehen werden, bei dem sich Allison Leahy mit dem neuesten Stand der Ermittlungen präsentiert.«
»Sir, ich habe niemandem gegenüber auch nur eine Silbe verlauten lassen. Es kann aber sein - «
»Was kann sein?«
»Es könnte sein, dass sie irgend etwas auf meinem Schreibtisch gesehen hat. Aber das ist eigentlich nicht möglich.«
»Nun gut, wenn es nicht Leahy war, wer zum Teufel dann?«
»Wahrscheinlich dieselben Leute, die schon die ganze Zeit mit der Entführung ihr politisches Spiel abziehen.«
»Und wer soll das sein?«
»Ich will es einmal so ausdrücken«, sagte Harley. »Die Liste der Verdächtigen wird immer kürzer.«
20
Um 20:30 Uhr erschien Lincoln Howe im Studio. Er trug einen dunklen Anzug wie zu einer Beerdigung. Er war in Begleitung einiger Agenten des Secret Service. Der General ließ sich keine Gefühle anmerken, als er den Flur entlangging, der hinter die Bühne führte. Von der Seite aus betrachtete er die Bühne, auf der normalerweise die lokale Talkshow in Arlington, Virginia, stattfand. Der Schreibtisch des Moderators war in die Mitte des Raums gerückt worden, dahinter war eine große Leinwand zu sehen. Zwei Männer trugen eine Couch hinaus. Kabelgewirr lag auf dem Boden herum. Hunderte von Scheinwerfern hingen an der Decke. Fünf Kameras waren aufgebaut.
Buck LaBelle trat auf ihn zu. »Es geht gleich los, General«, sagte der Wahlkampfleiter.
Howe nickte. »Wie sieht es mit der Berichterstattung aus?«
»Technisch gesehen, ist das wie bei den Debatten. CNN ist der Hauptorganisator, und jeder, der die Übertragung übernehmen möchte, kann sich anschließen. Alle großen Sender machen ihre Berichterstattung, auch einige internationale. Sie könnten heute abend gut und gerne hundert Millionen Zuschauer haben.«
Er sah zu einem Agenten des Secret Service, der mitgehört zu haben schien. »Ich mache mir keine Gedanken über die Zahl der Zuschauer, Buck. Ich brauche eine ausführliche Berichterstattung, damit die Entführer uns sehen können.«
»Ja, Sir.«
»Zwei Minuten!« rief der Aufnahmeleiter. »Noch zwei Minuten bis zur Aufnahme!«
»Am besten, Sie nehmen Ihren Platz schon ein«, sagte LaBelle.
Der General ging über die Bühne und setzte sich hinter den Schreibtisch. Eine Visagistin puderte sein Gesicht und verschwand dann ganz schnell. Howe nahm eine nachdenkliche Pose ein und wandte sich der Kamera, den Scheinwerfern und dem Teleprompter zu.
»Fünfzehn Sekunden«, rief der Aufnahmeleiter.
Howe benetzte seine Lippen und versuchte, seine Nerven zu beruhigen.
»Kamera läuft.«
Der General wartete zwei Sekunden und sprach dann direkt in Kamera 1
»Guten Abend, liebe amerikanische Mitbürger. Wie Sie alle wissen, durchlebt die Familie Howe eine furchtbare Tragödie. Kristen Howe, das einzige Kind meiner Tochter, ist gestern morgen entführt worden. Heute nachmittag haben meine Frau und ich eine Lösegeldforderung in Höhe von einer Million Dollar erhalten.
Was die Medien Ihnen allerdings nicht berichtet haben, ist folgendes: Die Entführer haben damit gedroht, ihre Geisel zu töten, falls die Polizei irgendwie von der Forderung erfährt. «
Howe veränderte seine Position. Kamera 3 fuhr etwas näher heran, um ihn besser im Bild zu haben.
»Ich weiß nicht, wie die Lösegeldforderung an die Öffentlichkeit geraten ist. Ganz sicher nicht durch die Familie Howe. Mir ist mitgeteilt worden, dass das FBI gegenwärtig untersucht, ob die Information aus dem Büro der Justizministerin nach außen gedrungen ist. Wir werden ganz einfach abwarten müssen und dann weitersehen. Vorerst habe ich nur drei Dinge zu sagen.
Das erste sage ich meiner Konkurrentin, Allison Leahy. Sollte die Lösegeldforderung von Ihnen oder von Ihren Anhängern für politische Zwecke öffentlich gemacht worden sein, dann ist das die verabscheuungswürdigste Tat, die je in der Geschichte der amerikanischen Politik begangen wurde.
Das zweite sage ich den Feiglingen, die ein Kopfgeld auf ein unschuldiges Kind aussetzen: Ich besitze keine Million Dollar, und wenn ich sie besäße, würde ich sie euch nicht geben. Im Gegensatz zu meiner Konkurrentin und ihrem millionenschweren Gatten leben meine Frau und ich von einer bescheidenen Armeepension.
Das dritte möchte ich dem amerikanischen Volk sagen ...
Der General erhob sich und ging zu einer Leinwand am Ende der Bühne. Als er dort ankam, wurde die
Weitere Kostenlose Bücher