Die Entlarvung
zerstören gedachte.
Es war ihm gleichgültig, wenn eine andere Person ihr Leben für ihn riskierte. Julia sollte ihren Kopf für Western nicht hinhalten. Entschlossen ging Ben nach Hause und überprüfte als erstes seine Telefone. Angestrengt lauschte er auf das kleinste Geräusch, das auf eine Manipulation hindeuten mochte. Er hörte nichts, was aber noch keine Garantie darstellte. Die Abhörtechnik war heutzutage so ausgefeilt, daß man in der Regel nichts entdeckte, ohne das ganze Telefon auseinanderzunehmen.
Wie war King auf Jean Adams verfallen? Diese Frage ließ ihm keine Ruhe. Woher hatte er überhaupt gewußt, daß er unter Beobachtung stand? Hatte Julia irgend jemandem davon erzählt? Ben hatte bei niemandem auch nur ein Sterbenswörtchen verlauten lassen. Also mußte es sich um eine Person aus ihrem Bekanntenkreis handeln. Vielleicht hatte sie ganz beiläufig eine Bemerkung fallenlassen … eine kleine Unachtsamkeit.
Er duschte und zog einen dunklen Anzug an. Er hatte Mario's als Treffpunkt ausgewählt, weil dort mit Sicherheit keiner der Kollegen einkehrte. Dazu war das Lokal viel zu teuer. Sie würden also ungestört reden können.
Er war etwas zu früh da und ließ sich oben in dem holzvertäfelten Raum auf einem Sofa nieder. Auf einem Ölgemälde über dem Sofa waren zwei Cockerspaniel zu sehen, die gutmütig auf ihn herabschauten. Er konnte sich nicht entspannen. Während er an seinem Drink nippte, konnte er kaum stillsitzen und sah immer wieder auf die Uhr. Julia verspätete sich. Höchst ungewöhnlich für sie, da sie normalerweise großen Wert auf Pünktlichkeit legte. Er hatte sie deswegen oft belächelt. Er selbst nahm es mit der Zeit meist nicht so genau. Endlich kam sie zur Tür herein. Sie sah anders aus als sonst. Er hatte sie noch nie so herausgeputzt gesehen. Wenn sie sonst nach der Arbeit ausgingen, bevorzugten sie Lokale, die man in legerer Kleidung aufsuchen konnte. Heute trug sie ein paillettenbesetztes Top, das funkelte und glitzerte, und dazu große Straßohrringe.
»Du kommst spät«, bemerkte er. »Ich habe mir Sorgen gemacht.«
Julia setzte sich neben ihn. »Tut mir leid«, sagte sie leise. »Ein Anruf von Western hat mich aufgehalten. Er hat mir erzählt, was passiert ist.«
Damit hatte Ben nicht gerechnet.
»Hätte ich mir denken können, daß er versucht, dich einzuwickeln. Ich bestelle dir erst einmal einen Drink. Das Übliche?« Er rief nach dem Kellner.
»Einen Wodka on the rocks, Rudi. Und noch einen Scotch für mich, bitte.« Er nahm Julias Hand und sah sie ernst an.
»Sie haben Jean Adams' Telefone abgehört. Wahrscheinlich hat sich Mrs. Adams telefonisch mit ihrem Anwalt beraten. Sie ist ermordet worden, damit sie die eidesstattliche Erklärung nicht doch noch abgeben konnte.«
»Das hat Western auch gesagt«, antwortete Julia. »Außerdem hat er mir berichtet, daß du zu ihm ins Büro gekommen bist und für mich kündigen wolltest. Das hättest du nicht tun sollen, Ben. Nicht ohne vorher mit mir zu sprechen.«
»Ich habe versucht, dich telefonisch zu erreichen«, verteidigte sich Ben. »Du warst in einer Besprechung. Julia, bitte versteh mich doch!« Er benutzte ihren vollen Namen so selten, daß sie die Anschuldigungen, die ihr schon auf der Zunge lagen, zurückhielt. Nachdem sie mit Western gesprochen hatte, war sie sehr ärgerlich gewesen. Ben Harris sollte nicht meinen, daß sie ihm gehöre und daß er so einfach über sie verfügen könne. Er hatte kein Recht, sich in ihre Karriere einzumischen. Seine verzweifelte Miene besänftigte sie jedoch ein wenig.
»Ich habe die Nerven verloren und mich falsch verhalten. Mir ist klar, daß ich zuerst mit dir hätte sprechen müssen. Aber ich hatte ständig Jean Adams vor Augen – brutal vergewaltigt und erschlagen … Du hättest an ihrer Stelle sein können. Und es kann dich immer noch treffen, wenn du dich nicht an unsere Vereinbarung hältst und dich aus diesem Sumpf zurückziehst. Bitte …« Mit einer Handbewegung bedeutete er, ihn nicht zu unterbrechen. »Hör mich erst an. Du bist eine ausgezeichnete Journalistin. Du hast Talent, Einfühlungsvermögen und bist absolut integer. Du wirst deinen Weg auch ohne die ›Enthüllungen‹ machen. Mit dieser Serie wollte Western dich nur locken. Er nutzt dich für seine Zwecke aus und nimmt es gleichgültig in Kauf, daß du dich in Gefahr begibst. Ich habe ihm gesagt, daß ich kündige. Ich möchte, daß du meinem Beispiel folgst. Ich habe Kontakte zu einigen
Weitere Kostenlose Bücher