Die Entlarvung
hat sie ermordet. Hier ist der jüngste Bericht.«
Julia mußte sich setzen. Während sie die Zeilen überflog, wich alle Farbe aus ihrem Gesicht.
Jean Adams war frühmorgens tot aufgefunden worden. Sie war erst vergewaltigt und dann erschlagen worden. Das Geheule und Gebelle einer der Hündinnen hatte die Nachbarn alarmiert und sie veranlaßt, die Polizei zu rufen. Das Tier war durch einen Tritt verletzt worden und mußte eingeschläfert werden. Die Polizei ging von einem Raubmord aus, da Schmuck und Geld fehlten und alle Sachen durchwühlt waren. »Ich kann es nicht glauben, Ben«, rief Julia fassungslos aus. »Ich kann es einfach nicht glauben.« Er rückte seinen Stuhl nahe an sie heran. Sie sah leichenblaß aus.
»Ich leider schon«, entgegnete er.
»Was für ein Mann muß das sein, der so etwas tut?« fuhr sie mit zittriger Stimme fort. »Jean Adams war beinahe siebzig …«
Ben zündete sich eine Zigarette an. »Derartige Verbrechen kommen öfter vor, als du denkst. Die Kerle scheinen auf die Angst der Frauen anzuspringen. Und hinterher töten sie sie – die beste Art, sich lästiger Zeugen zu entledigen. Manchmal wünscht man sich fast wieder die Einführung der Todesstrafe. Komm, trink erst einmal einen Kaffee.«
»Danke, ich möchte keinen. Hat die Polizei irgendwelche Anhaltspunkte?«
»Sie untersuchen gerade das Haus«, antwortete Ben. »Ich habe mit ein paar Jungs von der örtlichen Polizei gesprochen. Für sie ist das der erste Mordfall dieser Art, und sie sind alle ziemlich schockiert. Sie haben mir versprochen, sich zu melden, wenn sie irgend etwas finden. X, ich möchte nicht gefühllos erscheinen, aber sie hat die Erklärung wahrscheinlich nicht unterschrieben.«
Julia sah ihn an. »Nein, wahrscheinlich nicht. Wir können sicherheitshalber bei dem Anwalt nachfragen. Später. O Gott, ich hoffe, sie kriegen diesen widerlichen Kerl …«
»Wenn ja, dann wird es ihm schlecht ergehen«, bemerkte Ben. Julia war tief betroffen; deshalb wollte er nicht weiter auf der Erklärung herumreiten. Er hatte zwar am Ende seines Besuchs bei Jean den Eindruck gewonnen, als habe sie ihre ablehnende Haltung doch noch geändert. Aber ob sie das Schriftstück rechtzeitig hatte unterschreiben können? Er, nicht Julia, würde den Anwalt anrufen. Er würde dessen vermutlich nicht gerade freundliche Reaktion besser verkraften können.
Er ging in sein Büro. Nach einer Stunde wählte er die Nummer der Kanzlei.
Zuerst behauptete die Sekretärin, ihr Chef sei außer Haus. Dann war dieser jedoch plötzlich selbst am Apparat und schrie außer sich vor Wut und Haß: »Sie wagen es, jetzt wegen dieser verdammten Erklärung anzurufen? Nein, sie hat sie nicht unterschrieben! Ihr Medienleute seid der letzte Dreck, der Abschaum der Menschheit!« Er knallte den Hörer auf, und das Besetztzeichen ertönte.
Ben Harris hatte den ganzen Tag über viel zu tun. Er kam nicht einmal dazu, seine Mittagspause zu nehmen, die er für gewöhnlich mit Julia verbrachte. Der Mord beschäftigte ihn dabei nur am Rande, denn derartige Verbrechen waren nichts Außergewöhnliches mehr – zu viele Menschen wurden überall auf der Welt getötet. Politische Krisen, Naturkatastrophen, ein Flugzeugabsturz in Nordfrankreich, bei dem eine Gruppe englischer Studenten ums Leben gekommen war … Nachrichten dieser Art trafen unaufhörlich bei ihm ein. Für die Witwe, die in der Leichenhalle in Midhurst lag, blieb da nur eine kleine Spalte auf einer der letzten Seiten des Herald. Am Spätnachmittag klingelte sein Telefon. Fluchend sah Ben Harris auf. Er hatte seit Stunden kaum Ruhe vor dem Apparat gehabt. Im Prinzip liebte er Druck und Hektik. Wenn es schnell gehen mußte, war er ganz in seinem Element. Nur seine Nerven spielten manchmal nicht mit.
Am Apparat war der leitende Inspektor aus Midhurst, der in der Mordsache Jean Adams ermittelte. Das Gespräch dauerte nur wenige Minuten. »Danke, vielen Dank«, sagte Ben. »Nein, wir drucken nichts davon. Nicht ohne Ihr Einverständnis. Halten Sie mich bitte weiter auf dem laufenden.«
Die Spurensuche hatte auf den beiden Telefonen in Jean Adams Haus fremde, wenn auch verwischte Fingerabdrücke entdeckt. Die nähere Untersuchung der Apparate hatte ergeben, daß Mrs. Adams abgehört worden war.
Ben versuchte, Julia in ihrem Büro zu erreichen. Sie war gerade in einer Besprechung und konnte nicht gestört werden. Er hinterließ keine Nachricht. Nachdenklich starrte er aus dem Fenster seines Büros. Dann
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