Die Entmündigung (German Edition)
Kästen von auffallender Ebenholzarbeit, die zu nichts zu gebrauchen, dort Briefbeschwerer, die im Geschmack von Arbeiten der Sträflinge im Bagno ausgeführt waren. Diese Meisterwerke von Geduld, diese »Rebusse« der Dankbarkeit, diese vertrockneten Buketts gaben dem Arbeits- und Wohnzimmer des Richters das Aussehen eines Ladens mit Kinderspielzeug. Der brave Mann machte sich ›Souvenirs‹ daraus, er füllte sie mit Noten, vergessenen Federn und kleinen Papieren voll. Diese erhabenen Zeugnisse himmlischen Erbarmens waren voller Staub, ohne jede Frische. Einige vortrefflich ausgestopfte, aber von Motten zerfressene Vögel erhoben sich inmitten dieses Waldes von Flitterkram, über dem eine Angorakatze thronte, das Lieblingstier der Frau Popinot, die ein armer Naturliebhaber jedenfalls mit allen Anzeichen der Lebenswahrheit wieder auf die Beine gestellt hatte, indem er so einen Schatz für ein kleines Almosen hergab. Irgend ein Künstler aus dem Bezirk, dem das Herz den Pinsel führte, hatte in gleicher Weise die Bilder von Herrn und Frau Popinot gemalt. Bis in den Alkoven des Schlafzimmers sah man gestickte Kissen, Landschaften in Kleinstich und Kreuze aus geflochtenem Papier, dessen Windungen eine unsinnige Arbeit verrieten. Die Fenstervorhänge waren vom Rauch geschwärzt, und die Übergardinen hatten überhaupt keine Farbe mehr. Zwischen dem Kamin und dem langen viereckigen Tisch, an dem der Richter arbeitete, hatte die Köchin zwei Tassen Milchkaffee auf ein Tischchen gestellt. Zwei Sessel, mit Roßhaar bezogen, erwarteten den Onkel und den Neffen. Da das Licht, das von den Fensterkreuzen verdunkelt wurde, nicht bis an diese Stelle gelangte, hatte die Köchin zwei Kerzen stehen lassen, deren außerordentlich langer Docht die Form eines Pilzes hatte und jenes rötliche Licht verbreitete, das die Kerzen durch die Langsamkeit des Verbrennens länger erhält; eine Entdeckung, die man den Geizhälsen verdankt.
»Lieber Onkel, Sie sollten sich wärmer anziehen, wenn Sie in das Sprechzimmer hinuntergehen.«
»Ich mache mir Sorge, daß ich sie zu lange warten lasse, die armen Leute! Nun, und was wünschest du von mir?«
»Ich komme, um Sie für morgen zum Diner bei der Marquise d'Espard einzuladen.«
»Ist das eine Verwandte von uns?« fragte Popinot mit so naivem Ausdruck, daß Bianchon zu lachen anfing.
»Nein, lieber Onkel, die Marquise d'Espard ist eine vornehme und mächtige Dame, die einen Antrag beim Gericht gestellt hat, um ihren Mann entmündigen zu lassen, und Ihnen ist die Sache zugeschrieben worden ...«
»Und du willst, daß ich bei ihr dinieren soll?! Bist du toll?« sagte der Richter und faßte nach der Prozeßordnung. »Hier, lies den Artikel, der dem Richter verbietet, bei einer Partei zu essen oder zu trinken, über die er Recht sprechen soll. Sie soll zu mir kommen, wenn sie mir etwas zu sagen hat, deine Marquise. Ich muß sogar morgen ihren Gatten vernehmen, nachdem ich diese Nacht die Sache geprüft haben werde.« Er erhob sich, nahm ein Aktenstück unter einem Briefbeschwerer in Reichweite hervor und sagte, nachdem er den Titel gelesen hatte: »Hier sind die Akten. Da diese vornehme und mächtige Dame dich interessiert, sehen wir uns die Klage an.«
Popinot nahm seinen Schlafrock, dessen Schöße immerfort herabfielen und seine Brust entblößten, vorn zusammen, dann tauchte er seine Schnitten in den kalt gewordenen Kaffee, suchte die Klage heraus, zu der er sich einige Paranthesen und Bemerkungen gestattete, an denen sein Neffe teilnahm.
»An den Herrn Präsidenten des Zivilgerichts erster Instanz im Seinebezirk mit dem Sitz im Justizpalast. – Madame Jeanne-Clementine-Athénais de Blamont-Chauvry, Ehegattin des Herrn Charles-Maurion-Marie Andoche, Graf von Nègrepelisse, Marquis d'Espard (hoher Adel), Gutsbesitzer; die genannte Dame d'Espard, wohnhaft Rue du Faubourg-Sainte-Honoré, Nr 104, und der genannte Herr d'Espard, Rue de la Montagne-Sainte Geneviève, Nr 22 (richtig, der Präsident sagte mir, daß das in meinem Bezirk ist) haben Herrn Desroches zum Anwalt.« – »Desroches! Ein kleiner Geschäftemacher, ein bei Gericht und bei seinen Kollegen übel angesehener Mann, der seinen Klienten keinen Nutzen bringt!«
»Armer Kerl!« sagte Bianchon, »er ist unglücklicherweise ohne Vermögen, und er hetzt sich herum wie der Teufel im Weihkessel, das ist alles.«
»Sie beehrt sich, Ihnen, Herr Präsident, darzulegen, daß seit einem Jahre die moralischen und geistigen Fähigkeiten des
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