Die Entmündigung (German Edition)
und das Benehmen des Königs, den er übrigens persönlich verehrt, kritisiert. indem er sie mit der chinesischen Politik vergleicht;
daß diese Monomanie den Marquis d'Espard zu sinnlosen Handlungen getrieben hat; daß, gegen den Brauch bei seinem Range und gegen seine Ansichten über die Pflichten des Adels, er sich auf ein Handelsgeschäft eingelassen hat, für das er täglich Wechsel unterzeichnete, die heute seine Ehre und sein Vermögen bedrohen, da sie ihn unter den Beruf eines Kaufmanns einreihen und ihn bei Nichtzahlung zur Konkursanmeldung zwingen können; daß diese Wechsel gezogen auf Papierhändler, Drucker, Lithographen und Koloristen, die ihm die Unterlagen für eine Publikation mit dem Titel ›Pittoreske Geschichte Chinas‹, in Lieferungen erscheinend verschaffen, von solcher Erheblichkeit sind, daß diese selben Lieferanten die Antragstellerin gebeten haben, die Unmündigkeitserklärung des Marquis d'Espard zu beantragen, um die Bezahlung ihrer Forderungen zu retten...«
»Dieser Mann ist verrückt!« rief Bianchon.
»Du magst das wohl glauben!« sagte der Richter. »Aber man muß ihn anhören. Wer nur eine Glocke hört, hört nur einen Ton.«
»Aber mir scheint...« sagte Bianchon.
»Aber mir scheint,« sagte Popinot, »daß, wenn jemand von meinen Verwandten sich der Verwaltung meines Vermögens bemächtigen wollte, und wenn ich, statt ein einfacher Richter, ein Herzog und Pair wäre, ein etwas gerissener Anwalt wie Desroches eine ähnliche Klage gegen mich einleiten könnte.«
»Daß die Erziehung seiner Kinder unter dieser Monomanie gelitten und daß er ihnen, im Gegensatz zu allem sonst üblichen Unterricht, die Tatsachen der chinesischen Geschichte, die der Doktrin der katholischen Religion widersprechen, und auch die chinesischen Dialekte hat beibringen lassen...« »Hier wirkt Desroches komisch«, sagte Bianchon. »Daß er häufig seine Kinder von dem Notwendigsten entblößt sein läßt; daß die Antragstellerin sie, trotz ihrer dringenden Bitten, nicht zu sehen bekommt; daß der Herr Marquis d'Espard sie ihr nur einmal im Jahre zuführt; daß sie, in Kenntnis der Entbehrungen, die ihnen auferlegt sind, vergebliche Anstrengungen gemacht hat, um ihnen das für ihre Existenz Notwendigste, dessen sie entbehrten, zu verschaffen...«
»Oh, Frau Marquise, das ist Unsinn! Wer zuviel beweisen will, beweist gar nichts. – Mein liebes Kind,« sagte der Richter und ließ das Aktenstück auf seine Knien sinken, »welche Mutter hat jemals so wenig Herz, Verstand, Empfindung gehabt, daß sie nicht einmal dem vom tierischen Instinkt eingegebenen Gefühl gehorcht habe? Eine Mutter besitzt List genug, um sich ihren Kindern zu nähern, wie ein junges Mädchen, um eine Liebesgeschichte zu einem guten Ende zu führen. Wenn deine Marquise ihre Kinder wirklich ernähren und kleiden wollte, so hätte kein Teufel sie daran hindern können, niemals, was? Diese Sache ist ein bißchen zu stark für einen alten Richter! Aber fahren wir fort:
Daß das Alter, welches die Kinder erreicht haben, sofort Vorkehrungen verlangt, damit sie dem unheilvollen Einfluß einer solchen Erziehung entzogen werden, wie sie ihrem Range nicht entspricht, und damit sie das Beispiel, das ihnen das Verhalten ihres Vaters gibt, nicht mehr vor Augen haben;
daß zur Unterstützung der hier angeführten Tatsachen Beweise vorhanden sind, die das Gericht leicht feststellen kann: mehrmals hat Herr d'Espard den Friedensrichter des zwölften Bezirks einen Mandarin dritter Klasse genannt; er hat häufig die Professoren des Gymnasiums Henri IV. ›gelehrte Leute genannt‹ (sie ärgern sich darüber!). In bezug auf die einfachsten Dinge hat er erklärt, daß so etwas in China nicht vorkäme; im Verlauf einer gewöhnlichen Unterhaltung spielt er bald auf die Dame Jeanrenaud, bald auf Ereignisse unter der Herrschaft Ludwigs XIV. an und verharrt dann in tiefer Melancholie: er bildet sich ein, in China zu sein. Mehrere Nachbarn, insbesondere die Herren Edmond Becker, Student der Medizin, und Jean-Baptiste Frémiot, Professor, die in demselben Hause wohnen, sind, nachdem sie den Marquis behandelt haben, der Ansicht, daß seine Monomanie in allem, was sich auf China bezieht, die Folge eines von dem Herrn Baron Jeanrenaud und seiner verwitweten Mutter geschmiedeten Plans ist, um die geistigen Fähigkeiten des Marquis d'Espard zu vernichten in der Erkenntnis, daß der einzige Dienst, den die Dame Jeanrenaud dem Herrn d'Espard noch leisten kann,
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