Die Entscheidung
schließlich in die Union Station ein, die nicht mehr weit vom Kapitol entfernt war.
Donatella war müde, doch das machte ihr nichts aus. Sie hatte in ihrem Leben schon einiges durchgemacht – da konnte ihr ein bisschen Müdigkeit bestimmt nichts anhaben. Sie schritt selbstsicher durch die Lobby des Four Seasons Hotels und ignorierte die Blicke, die ihr Männer wie Frauen gleichermaßen zuwarfen. Auf so etwas achtete sie schon seit Jahren nicht mehr. Sie ging zur Rezeption, wo sie von einer Frau asiatischer Herkunft begrüßt wurde.
»Guten Abend, mein Name ist Mary Jones«, sagte Donatella in makellosem Englisch, zog eine Kreditkarte aus ihrer Handtasche und legte sie auf die Theke. Sie besaß außerdem einen Führerschein aus dem Staat Kalifornien, der auf denselben Namen lautete und den sie ebenso wie die Kreditkarte aus einem Bankschließfach in Manhattan geholt hatte.
»Sie bleiben vier Nächte bei uns, Mrs. Jones?«, fragte die Rezeptionistin.
»Das stimmt«, sagte Donatella und nahm den Zimmerschlüssel an sich. Die Frau wies auf die Aufzüge und teilte ihr mit, dass ihr ein Page das Gepäck nachbringen würde. Donatella bedankte sich und fuhr mit dem Aufzug in den vierten Stock. Als sie in ihrem Zimmer war, holte sie ein Sonnenbrillenetui aus ihrer Handtasche hervor und öffnete es. Darin befand sich ein kleines Gerät zum Aufspüren von Transmittern und Aufnahmegeräten. Donatella suchte das ganze Zimmer ab. Das Telefon überprüfte sie nicht, weil sie es ohnehin nicht benutzen würde.
Als der Page kam, gab sie ihm einen Fünf-Dollar-Schein und sperrte hinter ihm die Tür zu. Auf der Uhr neben dem King-Size-Bett war es zwanzig vor zehn Uhr abends; demnach war es jetzt in Mailand schon fast drei Uhr morgens. Sie musste mit dem Schlafengehen noch eine Weile warten. Donatella zog ihren Armani-Hosenanzug aus und hängte ihn in den Kleiderschrank. Aus ihrem Koffer holte sie Jeans, braune Schuhe und einen Wollpullover hervor. Rasch zog sie sich an und setzte eine ausgeblichene rote Baseballmütze auf ihre Pferdeschwanz-Frisur. Dann nahm sie einen kleinen Feldstecher, ein Star-Tac-Handy und eine Heckler-&-Koch-Pistole aus der Handtasche. Die kompakte Waffe, die acht Patronen Kaliber.32 enthielt, ließ sich leicht unter dem weiten Pullover verbergen.
Donatella verließ das Hotel, ging einige Blocks auf der M Street nach Westen und bog dann rechts in die 30 th Street ab. Die Abendluft war kühl, aber angenehm – vor allem nach der langen Reise, die sie hinter sich hatte. Im Flugzeug hatte sie das Dossier über ihr Ziel eingehend studiert. Das Four Seasons Hotel hatte sich deshalb angeboten, weil es praktisch in der Mitte zwischen dem Haus und dem Büro des Mannes lag. Donatella ging langsam den steilen Hügel hinauf. Sie sah sich in der Gegend um, so wie sie es von den Ausbildern beim Mossad gelernt hatte.
Der israelische Geheimdienst hatte einst in ihr wechselvolles Leben eingegriffen und etwas aus ihr gemacht, was sie ansonsten aller Wahrscheinlichkeit nach nie geworden wäre. Sie hatte beim Mossad eine Ausbildung zum Spion und Killer erhalten – eine Laufbahn, die sie nicht aus freien Stücken eingeschlagen hatte.
Als Donatella Karriere als Model machte, nahm auch ihr Drogenkonsum immer mehr zu. Mit einundzwanzig war sie kokainsüchtig. Als ihr Model-Job sie einmal nach Tel Aviv führte, wurde sie mit etwas Kokain erwischt und landete in einer Gefängniszelle. Als sie bereits unter den ärgsten Entzugserscheinungen litt, kam ein Mann namens Ben Freidman und schlug ihr einen Weg vor, wie sie eine Gefängnisstrafe vermeiden könne. Der Mann sagte, dass er ihr helfen würde, von ihrer Drogensucht loszukommen, und dass sie nach einer gewissen Zeit wieder nach Mailand zurückkehren könne. Er versicherte ihr außerdem, dass es bei dem Geschäft, das er ihr vorschlug, nicht um Sex ging.
Um der drohenden Gefängnisstrafe zu entgehen, nahm Donatella das Angebot ohne lange zu überlegen an. Am nächsten Tag wurde sie an ein Krankenhausbett geschnallt, wo sie schwitzend und am ganzen Leib zitternd mit dem Entzug begann. Als die erste Woche vorüber war, hatte sie es tatsächlich geschafft, vom Kokain loszukommen. Es sollte jedoch nicht das letzte Mal sein, dass sie sich einer Entziehungskur unterziehen musste. Schließlich begannen sie Schritt für Schritt mit dem Unterricht; als Erstes brachten sie ihr bei, wie man Informationen sammelte und sich selbst verteidigen konnte. Als sie nach einem Monat entlassen
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