Die Entscheidung
mochte. Die Frage war, wer die Hoffmans auf ihn angesetzt hatte. Es war so gut wie ausgeschlossen, dass die beiden auf eigene Faust gehandelt hatten. Rapp war ihnen nie zuvor begegnet; er konnte sich nicht vorstellen, dass sie irgendeinen Grund haben sollten, ihn zu töten. Nur einige wenige Leute wussten von seiner Arbeit für die CIA, und noch weniger waren über diese Mission informiert gewesen. Von einer Person wusste er es mit Sicherheit und nahm es von zwei anderen an. Die Person, die es am leichtesten gehabt hätte, die Hoffmans auf ihn anzusetzen, war gleichzeitig diejenige, von der er immer überzeugt war, dass er ihr hundertprozentig vertrauen konnte. Rapp gefiel der Gedanke überhaupt nicht. Alles in ihm weigerte sich, so etwas auch nur in Erwägung zu ziehen – doch es war nun einmal eine verdammte Tatsache, dass Irene Kennedy die Hauptverdächtige war. Rapp wollte es einfach nicht glauben. Er suchte verzweifelt nach irgendeiner anderen Möglichkeit – doch im Augenblick gab es keine andere Antwort auf das, was geschehen war. Er würde in die Staaten zurückkehren und der Sache selbst nachgehen müssen. Und er würde bei den Hoffmans beginnen. Es würde nicht einfach werden, sie aufzuspüren, doch er kannte jemanden, der ihm dabei helfen würde.
Nach einer Biegung sah Rapp zum ersten Mal den Rhein und danach die alte Festung von Breisach. Die Stadt lag auf einem achtzig Meter hohen Felsplateau – ein geradezu idealer Platz für den Bau einer Festungsanlage. Von dort fiel die Straße ins Tal ab, und die Gruppe sauste mit einer Geschwindigkeit von knapp 70 Stundenkilometern den Berg hinunter. Rapp blieb am Ende des Feldes und hielt nach der Brücke Ausschau, auf der sie den Rhein überqueren würden. Was er da sah, gefiel ihm gar nicht. Die Autoschlange vor dem Grenzübergang schien sich über zwei Kilometer hinzuziehen. Bleib ruhig, sagte er sich. Du siehst überhaupt nicht wie der Mann aus, nach dem sie suchen, du hast ein Visum und einen Pass eines EU-Landes, und du bist außerdem mit dieser Gruppe unterwegs.
Rapp legte den niedrigsten Gang ein und erhöhte das Tempo. Er überholte spielend neun andere Fahrer und reihte sich irgendwo in der Mitte der Gruppe ein. Drei Minuten später erreichten sie die Autoschlange und schickten sich an, sie zu passieren. Die Gruppe wurde ein klein wenig langsamer, und Rapp nützte die Gelegenheit, um seine Gürteltasche so zu drehen, dass er jederzeit schnell etwas herausholen konnte – den Pass oder die Pistole.
Eine Gruppe französischer Radfahrer kam ihnen entgegen und passierte die Grenze nach Deutschland. Viele der Fahrer auf beiden Seiten winkten einander zu, einige tauschten auch spöttische Bemerkungen aus. Weiter vorne sah Rapp einen Grenzschutzbeamten, der den Radfahrern mit einem Handzeichen zu verstehen gab, dass sie anhalten sollten. Der Fahrer, der die Gruppe anführte, rief dem Grenzer irgendetwas zu, während sie noch gut fünfzig Meter von ihm entfernt waren. Rapp verstand nicht, was er sagte, doch er sah, dass der deutsche Radfahrer auf die französische Gruppe zeigte, die in der entgegengesetzten Richtung unterwegs war. Ein zweiter Grenzer erschien und sprach ein paar Worte mit seinem Kollegen. Als die Gruppe bei ihnen war, bedeuteten ihnen beide Männer, dass sie weiterfahren sollten. Rapp hörte, wie ihnen der zweite Grenzer noch ein paar anfeuernde Worte zurief. Was für ein Glück, dachte Rapp, dass es noch so etwas wie Nationalstolz gab.
Als sie das andere Ufer erreichten, atmete Rapp erleichtert durch. Der schwierige Teil lag hinter ihm. Die Gruppe fuhr etwa einen halben Kilometer in westlicher Richtung weiter. Rapp ließ sich wieder ans Ende des Feldes zurückfallen, und als sich die Gruppe schließlich südwärts wandte, fuhr er geradeaus weiter. Ein Straßenschild sagte ihm, dass Colmar zwölf Kilometer entfernt war. Er wusste jedoch, dass der Großteil davon bergauf verlief. Rapp senkte den Kopf und trat in die Pedale. Als Nächstes galt es, sich Zugang zu einem Computer zu verschaffen, und danach ging die Reise mit der Bahn weiter.
9
Der Tod kam näher. Nun, genau genommen traf das auf jeden Augenblick des Lebens zu – in seinem Fall, seit er im Jahr 1920 auf der Farm seiner Eltern bei Stoneville, South Dakota, zur Welt gekommen war; doch nun spürte er, dass der Tod seinen gebrechlichen Körper in seiner
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