Die Entscheidung
bunten, eng anliegenden Lycra-Outfits vor dem kleinen Laden und warteten auf das Signal zum Aufsitzen. Rapp schlängelte sich durch die Menge und betrat das Geschäft. Überall hingen Fahrräder von der Decke herab. Rapp ging zum Ladentisch und fragte auf Französisch, ob ihn jemand bedienen könne. Der Mann hinter dem Ladentisch schickte ihn zu einer jungen Frau mit langem schwarzem Haar. Die Frau war Französin. Er fand schnell heraus, dass sie aus Metz war und in Freiburg studierte.
Während sie zusammen einige Fahrräder ansahen, fragte Rapp, ob samstags immer noch die Radtour für Hobbyfahrer stattfand, die über den Rhein nach Frankreich und wieder zurück führte. Die Frau sagte ihm, dass diese Tour beliebter denn je war. Immer noch fuhren Scharen von Radfahrbegeisterten samstags in die alte Festungsstadt Breisach und weiter über den Rhein. Von dort ging es die französische Seite des Rheins entlang und schließlich bei Müllheim, Ottmarsheim oder Basel wieder zurück. An einem guten Samstag radelten hunderte von bunt bekleideten schweizerischen, französischen und deutschen Radfahrern diese Strecke entlang. Rapp wusste, dass die Scharen von Radlern hier für gewöhnlich über die Grenze gelassen wurden, ohne dass sie ihre Pässe vorweisen mussten. Er erinnerte sich daran, dass dieser Teil Europas überhaupt sehr offen war, sogar in den Zeiten des Kalten Krieges. Von Freiburg aus war Frankreich nur etwa fünfundzwanzig Kilometer entfernt, und nach Basel waren es ungefähr achtzig Kilometer in südöstlicher Richtung. Angesichts der vielen Menschen, die in einem Land lebten und im anderen arbeiteten, gab es hier kaum Grenzkontrollen – doch Rapp hatte in anderen Ländern bereits erlebt, dass die Kontrollen immer wieder einmal ohne Vorwarnung verschärft werden konnten.
Nachdem er sich einen Überblick über die Fahrräder verschafft hatte, wählte er schließlich ein gebrauchtes mint-grünes Bianchi-Rad. Er kaufte außerdem Satteltaschen, eine Gürteltasche und eine Radfahrausrüstung komplett mit Schuhen, einer kleinen weißen Kappe und einer Radfahrbrille. Der Rucksack, den er zuvor gekauft hatte, wäre in diesem Fall keine gute Wahl gewesen, weil er damit sofort auffallen würde. Rapp bezahlte in bar; er wollte es so lange wie möglich vermeiden, die Kreditkarte zu verwenden. Die junge Frau führte ihn zu einem Waschraum im Keller, wo Rapp seine Ausrüstung anziehen konnte. Er steckte die Pistole in ein innen liegendes Fach der Gürteltasche, zusammen mit einem Extra-Magazin, dem Schalldämpfer und seinem Vorrat an Bargeld. In das äußere Fach steckte er seinen französischen Pass und etwas Bargeld. Alles, was er loswerden musste, kam wieder in den Rucksack. Seine neuen Kleider behielt er jedoch.
Als er wieder nach oben kam, machten sich die Radfahrer gerade zur Abfahrt bereit. Rapp rollte seine Kleider zusammen und stopfte sie in die Satteltaschen seines neuen Rads. Er sagte zu der hilfsbereiten jungen Frau, dass er schnell weg müsse, aber in einer Minute wieder zurück sein würde. Er hielt seinen Rucksack hoch und erklärte, dass er ihn zu einem Freund bringen müsse. Dann watschelte er in seinen Radlerschuhen mit den harten Sohlen davon und bog um die Ecke. Er musste nicht weit gehen, bis er einen Mülleimer fand, in den er den Rucksack stopfte. Diese Lösung war nicht ideal, aber er hatte nun einmal nicht viel Zeit.
Als er zum Fahrradgeschäft zurückkam, waren die über dreißig Radfahrer startbereit. Rapp dankte der französischen Studentin für ihre Hilfe und schob sein neues Rad auf die Straße hinaus. Nach etwa zwei Blocks holte er die Nachzügler der Gruppe ein und schloss sich ihnen an. Rapp war viel mehr als ein Hobbyfahrer. Er fuhr zwar keine Rennen mehr, aber es war noch nicht lange her, dass er zu den besten Triathleten der Welt gehört hatte. Einmal hatte er sogar den Ironman auf Hawaii gewonnen und war außerdem bei diesem Topereignis des Sports dreimal unter den ersten fünf gelandet. Danach hatte seine Arbeit für die CIA stark zugenommen, sodass er seine aktive Laufbahn beenden musste. Doch er nahm sich immer noch fünfmal die Woche die Zeit, um zu schwimmen, zu joggen und Rad zu fahren.
Es war 9.36 Uhr, als sie die Stadt hinter sich ließen. Rapp hielt sich am Ende der Gruppe. Er hatte ein gutes Gefühl in den Beinen, doch da war immer noch ein Stechen in der Brust. Der Schmerz ließ ihn an die vergangene Nacht zurückdenken, und er versuchte zu ergründen, was geschehen sein
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