Die Entscheidung
Geräusch gestört, das sich aus der Ferne näherte. Die beiden Marines, die auf der Straße beim Westzaun patrouillierten, suchten instinktiv nach dem Ursprung des Geräuschs. Sie spähten nach oben, obwohl sie ohnehin wussten, was sich da am Himmel näherte. Wenige Sekunden später wussten sie auch, dass es kein Militär-Heli sein konnte; dafür war das Knattern viel zu leise. Der weiße Helikopter zog über die Bäume hinweg und flog ins Innere des Camps weiter. Die Marines sahen ihm noch einige Augenblicke nach und setzten dann ihre Patrouille fort. Sie nahmen beide an, dass mit dem Zivil-Heli ein Golfpartner für den Präsidenten kam.
Der Bell-Jet-Ranger flog in östlicher Richtung weiter, direkt auf den Wasserturm des Camps zu. Unmittelbar vor dem Turm war auf einer Lichtung ein kleiner Landeplatz angelegt. Der Vogel wurde langsamer und senkte sich sanft zu Boden, bis er mitten auf der Markierung aufsetzte. Der Pilot stellte das Turbinentriebwerk ab, und das knatternde Kreisen der Rotoren wurde langsamer. Ein schwarzer Suburban wartete an der nahe gelegenen Straße, und einige Männer in schwarzen Anzügen standen daneben und sahen zu, wie der Gast des Präsidenten aus dem Helikopter stieg.
Dr. Irene Kennedy nahm ihre Aktentasche und ging auf den Wagen zu. Sie trug ihr schulterlanges braunes Haar in einem Pferdeschwanz und war mit einer blauen Hemdbluse und einem braunen Kostüm bekleidet, dessen Revers sie zusammenzog, um sich gegen die Kälte zu schützen. Als sie den Wagen erreichte, streckte ihr ein Offizier der Army die Hand entgegen. »Willkommen in Camp David, Dr. Kennedy.«
Die vierzig Jahre alte Angehörige der Central Intelligence Agency schüttelte dem Offizier die Hand. »Danke, Colonel«, sagte sie.
Dr. Kennedy war die Leiterin der Abteilung für Terrorbekämpfung. Inoffiziell war sie auch für das Orion-Team verantwortlich, eine streng geheime Organisation, die aus der Notwendigkeit heraus gegründet worden war, den Terrorismus aktiv zu bekämpfen. Anfang der achtziger Jahre waren die USA von einer Reihe von Terroranschlägen hart getroffen worden – insbesondere von dem verheerenden Sprengstoffanschlag auf die amerikanische Botschaft in Beirut im April 1983. Obwohl man nach diesen Terror-Attacken viele Millionen Dollar aufgewendet hatte, um den Terrorismus zu bekämpfen, wurde die Lage immer dramatischer. Im Dezember 1988 fiel schließlich ein Flugzeug der Pan Am über der schottischen Ortschaft Lockerbie einem besonders verheerenden Anschlag zum Opfer, bei dem 270 unschuldige Zivilisten ums Leben kamen. Die Katastrophe von Lockerbie bewog einige der mächtigsten Leute in Washington zu drastischen Maßnahmen. Es herrschte breite Übereinstimmung darüber, dass es an der Zeit war, den Terroristen den Kampf anzusagen. Mit Diplomatie hatte man nichts erreicht, und der Einsatz von militärischer Gewalt verbot sich schon allein deshalb, weil der Feind stets mitten unter Zivilisten agierte. Also blieb der amerikanischen Führung nur noch ein Weg: Man musste im Verborgenen agieren. Operationen mussten in die Wege geleitet werden, von denen die Öffentlichkeit nichts mitbekam – nicht der Kongress und auch nicht die Medien. Man würde einen Krieg im Verborgenen führen, in dem die Jäger selbst zu Gejagten wurden.
Die Fahrt dauerte nur ein paar Minuten und wurde schweigend zurückgelegt. Als sie beim Aspen Lodge, dem Haus des Präsidenten, ankamen, stieg Irene Kennedy aus und ging die Verandatreppe hinauf, an zwei Secret-Service-Agenten vorbei, und betrat schließlich das Haus. Der Colonel geleitete Dr. Kennedy zum Arbeitszimmer des Präsidenten und klopfte an den Rahmen der offenen Tür.
»Mr. President, Dr. Kennedy ist da.«
Präsident Robert Xavier Hayes saß an seinem Schreibtisch, trank eine Tasse Kaffee und las dabei die Freitagmorgen-Ausgabe der Washington Post. Als Irene Kennedy eintrat, blickte er über seine Lesebrille hinweg von der Zeitung auf. »Danke, Colonel«, sagte Hayes und legte die Zeitung beiseite. Er erhob sich von seinem Stuhl und ging zu dem kleinen runden Tisch hinüber, wo er Dr. Kennedy mit einer höflichen Geste aufforderte, Platz zu nehmen.
Hayes hatte sich bereits für sein vormittägliches Golf-Match angekleidet; er trug eine Khaki-Hose, ein schlichtes blaues Golfhemd und darüber eine Weste. Er stellte seine Tasse auf den Tisch und schenkte Dr. Kennedy ebenfalls eine Tasse ein, die er vor ihr auf den Tisch stellte, ehe er sich setzte. »Wie geht es
Weitere Kostenlose Bücher