Die Entscheidung
Washington Post und die Washington Times vorgenommen und sie von vorne bis hinten durchgelesen. Er verglich die beiden Blätter gern miteinander in ihrer Berichterstattung über verschiedene Ereignisse; das Studium der liberalen und der konservativen Zeitung zeigte immer wieder, wie voreingenommen die Presse im Grunde war.
Polk folgte dem Taxi in westlicher Richtung die G Street hinunter und hielt sich dabei in sicherer Entfernung. Eine der wenigen Informationen, die man ihm gegeben hatte, war, dass er darauf achten sollte, ob die Frau mit einem Mann namens Mitch Rapp Kontakt hatte. Von dem, was Polk bereits gehört hatte, konnte man als sicher annehmen, dass dieser Mitch Rapp ihr Freund war. Polk hatte zuerst angenommen, dass es bei diesem Auftrag um Anna Rielly ging – eventuell um eine Geschichte, an der sie arbeitete. Doch nachdem er nun ihr erstes Telefongespräch mit Rapp mit angehört hatte, fragte er sich, ob es nicht in Wirklichkeit um diesen Mann ging.
Rapp sagte Irene Kennedy und Stansfield, dass sie die Hände im Schoß lassen sollten, damit er sie sehen konnte. Beide taten, was er von ihnen verlangte. Rapp trat hinter Stansfield und postierte sich so, dass er mit dem Rücken zur Wand und nicht zum Fenster stand. Der lange schwarze Schalldämpfer seiner Pistole zeigte genau auf Coleman, doch seine dunklen Augen waren auf Irene Kennedy gerichtet. Sie suchten nach dem geringsten Anzeichen von Schuldgefühlen. Doch da war absolut nichts zu sehen – diese Frau war einfach unerschütterlich.
Irene Kennedy war zuerst völlig überrascht von Rapps plötzlichem Erscheinen, bis ihr auf einmal klar wurde, dass ihr etwas Wichtiges entgangen war. Sie hatte sich in den vergangenen Tagen solche Sorgen um Rapp gemacht, dass ihr gar nicht in den Sinn gekommen war, dass er sich möglicherweise von ihr und Stansfield hintergangen fühlen könnte. »Mitch«, sagte sie schließlich, »ich weiß, was du denkst, aber so etwas könnte ich dir nie antun.«
»Ach ja? Und woher weißt du dann, was ich denke?«
»Warum solltest du sonst mit einer Waffe hier hereinplatzen?«
Rapp ging nicht auf ihre Bemerkung ein und fragte stattdessen: »Warum hast du die beiden mit dem Auftrag losgeschickt, mich zu töten?«
»Haben sie das versucht?«, fragte Irene und blickte zu Stansfield hinüber. Ihre Vermutung hatte sich also als richtig herausgestellt. »Mitch, ich habe ihnen keinen derartigen Befehl gegeben. Ich fürchte, da hat noch jemand anderer seine Finger im Spiel. Wir wissen aber noch nicht, wer.«
Rapp hätte ihr nur zu gerne geglaubt, doch er brauchte Beweise. »Wie ich das sehe, Irene, gibt es nur drei Menschen, die in der Lage waren, mir eine solche Falle zu stellen. Direktor Stansfield, du und der Präsident. Nun, welcher von euch dreien war es?«
»Mitch, ich würde dir so etwas nie antun … und Thomas und der Präsident genauso wenig.«
»Warum hast du so seltsam reagiert, als ich gesagt habe, dass es mein letzter Job wäre? Wolltest du nicht, dass ich aufhöre und eure schmutzigen kleinen Geheimnisse mit mir herumtrage? Wolltest du die Sache schön sauber beenden?«
Irene Kennedy schüttelte traurig den Kopf. Sie wirkte gekränkt angesichts dieser Anschuldigung. »Du kennst mich doch etwas besser, oder? Ich könnte dir niemals wehtun. Wegen Thomas habe ich so reagiert.« Irene zeigte auf den Direktor. »Er hat Krebs und nur noch kurze Zeit zu leben. Das hast du nicht gewusst, nicht wahr?«
»Nein«, sagte Rapp und blickte auf Stansfield hinunter. Das erklärte, warum der Mann so geschwächt wirkte.
»Die Geier kreisen schon in der Luft – sie wittern ihre Beute. Wir bekommen von allen Seiten Druck.« Irene hielt inne und fügte hinzu: »Sieh mir in die Augen, Mitch, und sag mir, dass du wirklich glaubst, dass ich dir so etwas antun könnte.«
Wenn Rapp in den vergangenen zehn Jahren etwas gelernt hatte, dann dass Menschen zu fast allem fähig waren. Dennoch war Irene Kennedy stets der eine Mensen für ihn gewesen, auf den er sich immer verlassen konnte. »Wenn du es nicht warst, wer dann?«
»Das versuchen wir gerade herauszufinden.«
»Sagt mir einfach, wo ich die Leute finde, die mit mir in Deutschland waren, dann bekomme ich es schon heraus.«
Irene blinzelte kurz. »Das dürfte schwierig werden.«
»Oh, lass mich raten«, sagte Rapp und tat überrascht. »Sie sind verschwunden.«
»Nein, schlimmer.«
»Sie sind tot.«
»Ja.«
»Wie praktisch.«
»Glaub mir, niemand hätte lieber mit ihnen
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