Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Entscheidung

Die Entscheidung

Titel: Die Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Christo
Vom Netzwerk:
verschwunden, dennoch mussten sie die Maschine so schnell wie möglich loswerden. Andere Piloten konnten sie immer noch orten, und waren ihnen bereits auf den Fersen. Davon abgesehen fielen sie einfach zu sehr auf.
    Nachdem sie sich der Seine näherten, sank der Helikopter noch tiefer, bis sie den Fluss erreicht hatten. Hier hielt Andrej den Flieger wenige Meter über der Wasseroberfläche und folgte dem Lauf Richtung Westen.
    Clever, dachte Blanche und unterdrückte ein Lächeln. Auf diese Weise wären sie für ihre Verfolger noch schwerer auszumachen, und zwangen sie gleichzeitig, sich in zwei Gruppen aufzuteilen. Eine würde nach Osten ausschwärmen, der Rest nach Westen. Mit diesem Manöver wären sie die Hälfte ihrer Häscher los.
    Sie ließen das Musée d’Orsay hinter sich, und flogen an den Resten der Eisernen Lady vorbei. Blanche ließ den Blick über die Uferpromenade schweifen und stellte überrascht fest, wie sehr sie die bunten Lichter des Eiffelturms vermisste. Früher hatte sie sich über das kitschige Gefunkel lustig gemacht, aber tief in ihrem Herzen genoss ihre romantische Seite das Schauspiel. Es war Teil dieser Stadt gewesen – ein Teil von ihr.
    Hinter der Ponte de l’Alma wendete Andrej die Maschine und landete auf dem verwaisten Deck eines Ausflugsdampfers, der in gemächlichem Tempo den Fluss hinunterschipperte. Bevor er ausstieg, entfernte er den Flugschreiber aus dem Cockpit, und übergab das Teil einem jungen Mann, der ihm ein freches Grinsen schenkte.
    „Merci Dedé!“, sagte Andrej und die beiden tauschten einige komplizierte Handgriffe aus, die etwas Gang-mäßiges hatten. Danach deckten sie den Hubschrauber mit einer Plane ab, bevor sie zu den Davits gingen und zwei Beiboote zu Wasser ließen. Zum Abschied stießen sie ihre Fingerknöchel gegeneinander, dann sprang Dedé in sein Boot und fuhr zur Südpromenade, während Andrej und sie zum Nordufer aufbrachen.
    Am Kai half er ihr aus der Nussschale und sie ließ ihn gewähren. Keinem anderen hätte sie erlaubt, die Hand nach ihr auszustrecken und ihr auf den Steg zu helfen, doch dies war Andrej. Während ihre Gedanken Purzelbäume schlugen, hielt er ihre Hand umfangen. Er ließ sie nicht los, als sie den Place de l’Alma überquerten, auch nicht, als sie in die Avenue Montaigne einbogen. Sie schwiegen den ganzen Weg über, jeder in seine Gedanken versunken, und es gab viel zu bedenken.
    Zehn Jahre waren seit ihrer letzten Begegnung vergangen, und doch spürte sie eine Vertrautheit, die ihr unheimlich vorkam. Andererseits – Andrej war ein Teil von ihr, ihre Familie. Jahrelang hatte sie ihm ihr Leben anvertraut, und umgekehrt. Er war der Bruder, den sie nie hatte, und den sie mehr liebte, als sonst jemanden. Ihn an ihrer Seite zu spüren fühlte sich unbeschreiblich gut an – warum hatte sie so lange damit gewartet, Tchort aufzusuchen?
    Sie kannte die Antwort. In ihrer Erinnerung war Andrej perfekt gewesen. Würde sie damit umgehen können, wenn er wie Cam zu einer verzerrten Version des Jungen mutiert wäre, den sie so tief in ihr Herz geschlossen hatte? Als sie glaubte, ihn verloren zu haben, wäre es beinahe gebrochen. Ihn hier und jetzt ein zweites Mal zu verlieren wäre nichts, das sie so einfach wegstecken könnte. Zehn Jahre waren eine Menge Zeit, natürlich hatten sich verändert. Wie sehr, würden sie herausfinden, und damit hatte sie es nicht eilig. Denn eines war klar: Es würde nie wieder so werden, wie es zwischen ihnen war.
    Vor dem martialisch anmutenden Théâtre des Champs-Élysées blieb Andrej stehen und deutete zum weißen Baldachin des Seiteneingangs, dem Restaurant Maison Blanche , das auf dem Dach des Theaters lag. Sie hatte davon gehört, doch heute sah sie es zum ersten Mal.
     
    *
     
    Es hatte Stunden gedauert, bis Nella jedes Tier gesehen und sich seine traurige Geschichte angehört hatte. Dabei interessierte sie sich nicht nur für Hunde. Fasziniert beobachtete sie die farbenfrohen Kanarienvögel in den Volieren, Hamster mit ihrem Wurf sowie Knäuel von Katzenjungen, die herzerweichende Laute von sich gaben.
    Neben abgegebenen Haustieren beherbergte das Heim auch Findlinge sowie verletzte und misshandelte Tiere. Spatzen mit gebrochenen Flügeln, kranke Igel und andere Sorgenkinder wurden hier aufgepäppelt und fit für die Freiheit oder die Vermittlung gemacht.
    Madame Martin war keine Idiotin. Sie erkannte eine Tierliebhaberin, wenn sie eine vor sich hatte, und Nellas Signale waren zu eindeutig,

Weitere Kostenlose Bücher