Die Entscheidung
um sie zu ignorieren. Mehr und mehr wickelte die Leiterin des Tierheims sie ein und gewann sie schnell für ihre Sache. Nella nahm es ihr nicht übel. Sie war von der selbstlosen Arbeit der freiwilligen Helfer hingerissen, und sie wusste sofort, dass sie dazugehören wollte. Je mehr sie sah, desto übermächtiger wurde ihr Drang, zu helfen. Endlich erkannte sie eine Möglichkeit, sich nützlich zu machen. Das war genau die Beschäftigung, nach der sie so lange gesucht und die ihr Professor Bernard ans Herz gelegt hatte. Sich um Geschöpfe zu kümmern, die niemand wollte, die ausgestoßenen, ungeliebten, abgelehnten Seelen –jemand musste sich schließlich um sie kümmern.
Sie vereinbarte mit Madame Martin einen zweiten Termin mit einer Pflegerin, die für Nella eine passende Aufgabe finden und sie einweisen würde. Angepeilt waren zwei Nachmittage die Woche, am besten nach ihren Therapiesitzungen. Sollte Enzo ihr die Boutique tatsächlich kaufen, würde sie andere Arrangements treffen, denn für nichts in der Welt wollte sie diese Sache aufgeben.
Zum Schluss tat sie, weswegen sie ursprünglich gekommen war. Einen passenden Kameraden für Blanche zu finden war leichter, als sie gedacht hatte. Da es für Brutus Liebe auf den ersten Blick war, nahm sie das neue Familienmitglied gleich mit. Sie wickelte es in ihren Schal und legte sich das Bündel in die Armbeuge unter den Mantel. Dann schnappte sie sich Brutus Leine und verließ das Tierheim mit einem breiten Lächeln.
Die erste Überraschung erlebte sie, als sie auf die Straße trat. Polizeifahrzeuge und Militäreinheiten hatten die Allee zwischen den Metrostationen Louvre-Rivoli und Châtelet abgeriegelt. Zweimal musste sie sich ausweisen, bevor sie weitergehen durfte und man sie zur äußeren Absperrung geleitete. Dort wurde sie abermals kontrolliert, bis man sie schließlich gehen ließ. Mit zwei Fingern pfriemelte sie das Mobiltelefon aus der Außentasche ihres Daunenmantels und stellte fest, dass d er Akku leer war.
So ein Plüsch!
Mit pochendem Herzen hielt sie auf ein Eckbistro, das soeben seine Pforten schloss.
Um diese Zeit? Sie warf einen Blick auf die Uhr und schnappte nach Luft. Die Sperrstunde stand kurz bevor. Sie hatte Stunden im Tierheim verbracht, Enzo würde explodieren.
Bevor der Wirt verschwinden konnte, knallte sie einen Fünfzigeuroschein gegen die Glastür und bat um ein Telefonat. Wie durch Zauberhand öffnete sich die Tür gerade so weit, dass sie hineinschlüpfen konnte. Der bärbeißige Bistroinhaber trat hinter die Theke und knallte ein Telefon auf den Tresen. Freunde würden sie wahrscheinlich nicht werden.
Ihre Hand zitterte, als sie Ernestos Nummer eintippte, der sie mit einem Schwall Schimpfworten begrüßte, kaum dass sie seinen Namen flüsterte.
„Hast du eine Ahnung, was hier los ist?“
„Es tut mir leid.“
„Dazu hast du auch allen Grund. Der Chef ist ohnehin schon am Rande des Wahnsinns, weißt du eigentlich, was du uns eingebrockt hast?“
„Ernesto, bitte hol mich einfach nur ab. Wenn wir im Club sind, kannst du mir die Hölle heißmachen, aber jetzt will ich bloß nach Hause.“
Eine kurze Pause entstand.
„Ist bei dir alles in Ordnung?“ Er klang besorgt.
Tränen schossen in ihre Augen, und sie musste sich räuspern, bevor sie weitersprach. „Mir geht es gut, aber Ernesto, mein Handy hat den Geist aufgegeben, und hier wimmelt es von Militär. Die Straßen sind gesperrt, deswegen finde ich kein Taxi. Ich habe keine Ahnung, wie ich hier rauskommen soll.“
Sie konnte hören, wie er tief durchatmete.
„Wo genau bist du?“
Sie gab ihm die Adresse durch und er fluchte abermals.
„Das kann auch nur dir passieren.“
„W-was ist denn los?“
„Das ganze Viertel wurde abgeriegelt. Laut Polizeifunk sind sie hinter Blanche her, die sich irgendwo im vierten Arrondissement aufhält, ganz in deiner Nähe.“
Oh … Plüsch!
„Außerdem haben wir vom Ramirez erfahren, dass ihr ein Dutzend algerische Schläger auf den Fersen waren. Vermutlich waren sie es, die Blanche in die Falle gelockt haben. Also halt die Augen offen, denn hinter dir sind sie auch her.“
Mit angehaltenem Atem lauschte sie Ernestos Verwünschungen, während er einen Treffpunkt suchte, an dem er sie aufgabeln konnte. Anscheinend beriet er sich mit jemandem … Lucas?
„H-haben sie eine Zigarette?“, fragte sie den mürrischen Wirt, der aussah, als wollte er sie jeden Augenblick auf die Straße befördern.
„Macht Fünfzig
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