Die Entscheidung
des Helikopters den Vorplatz der Kathedrale berührten, riss Enzo die Tür auf und sprang aus der Maschine. Vier schwer bewaffnete Bodyguards folgten ihm und flankierten den italienischen Mafiaboss, der zur Porte St. Etienne, einem Nebeneingang an der Ostseite, trabte. Kaum war die Tür hinter ihm zugefallen, hörte er das Schloss klicken, dann spürte er den Lauf einer Knarre an der Schläfe und wurde bäuchlings gegen das Portal der Sakristei geworfen.
„Lass das, Andrej, das ist Enzo“, hörte er Blanches ruhige Stimme. Er befreite sich von seinem Angreifer und suchte im dämmrigen Licht nach seiner Frau, während seine Bodyguards fluchend an der Tür rüttelten.
Als er Nella entdeckte, setzte sein Herz einen Schlag aus. Sie lag ausgestreckt auf dem Boden, den Kopf in Blanches Schoß gebettet, der Körper voller Blut. Zu viel Blut. Als er vor sie auf ein Knie ging, erkannte er, dass sie bebte, sie weinte. Vor Erleichterung hätte er beinahe gelacht, aber etwas stimmte nicht.
„Was …?“, brachte er heraus. Die Hand des Typen, der ihm die Waffe an den Kopf gehalten hatte, landete auf seiner Schulter. Andrej hatte Blanche ihn genannt.
„Wie schnell kannst du einen verdammten Arzt auftreiben?“, fragte er mit tiefer Stimme.
Dass er ihn duzte, zeigte, dass diesem stronzetto nicht klar war, wen er vor sich hatte. Doch im Moment scherte er sich nicht um Etikette, wichtiger war die Frage, wie es Nella ging. Wenn es sein musste, könnte er sein HQ in ein Krankenhaus verwandeln, nicht umsonst hatte er mehr Ärzte auf seiner Gehaltsliste als der Präsident. Im Keller des Astros Clubs gab es eine Klinik mit zwei OPs sowie einen Kühlraum mit genug Blutkonserven, um eine Armee aus Vampiren zu ernähren. Leider hatte er es versäumt, Nellas Blutgruppe zu ermitteln, um im Falle einer Verletzung auf Konserven für sie zurückgreifen zu können. Ein weiterer Fehler einer Kette aus Pannen, Irrtümern und Fehlentscheidungen, die die letzten Wochen geprägt hatten.
„Bitte, tu etwas“, hörte er Nellas flehende Stimme, und endlich erkannte er, dass sie etwas in den Armen hielt. Es war dieser hässliche Hund, der noch entstellter aussah, als das üblicherweise der Fall war.
„Was zur Hölle …“, begann er, doch ein Blick von Blanche brachte ihn zum Schweigen.
Andrej beugte sich zu ihm und raunte: „Wenn du keine Lust auf die Nella-mit-dem gebrochenen-Herzen-Version hast, verschwendest du am besten keine Zeit mit blöden Fragen, sondern schaffst diesen stinkenden Köter zu einem Arzt. Er wurde übel durchsiebt, weigert sich aber, abzukratzen. Weiß der Geier, was ihn am Leben hält.“
Erneut durchschnitt Nellas Schluchzen die Stille. Enzo versuchte, die Informationen zu verarbeiten, und kam zu dem Schluss, dass Nella anscheinend unverletzt war, der Hund jedoch einiges abbekommen hatte. Das musste Gottes schräger Humor sein, anders konnte er sich diese Situation nicht erklären. In jedem Fall grenzte es an ein Wunder, dass seine Nella nicht auf dem Grund der Seine lag, sondern sich stattdessen die Augen wegen der hässlichen Töle ausweinte.
Innerlich schüttelte er den Kopf und versuchte, sich zu beruhigen. Seine linke Hand, die während des Flugs den Marienanhänger umfangen hatte, löste sich von dem Amulett, und glitt über Nellas zitternden Körper.
Maria Madre di Dio , wann war sie so dünn geworden? Sie bestand praktisch nur noch aus Haut und Knochen. Er stieß einen leisen Fluch aus und zog das schlotternde Häufchen auf seinen Schoß, küsste ihre Schläfe, Stirn und Lider und flüsterte ihren Namen.
„Enzo“, schluchzte sie. „Es tut mir so leid.“ Ein Weinkrampf schüttelte sie, dann ergänzte sie mit dünner Stimme „Bitte verzeih mir, ich wusste nicht …“
„Shhht“, machte er und hob sie auf den Arm.
„Du musst ihm helfen, er hat mein Leben gerettet“, flehte sie, das blutige Bündel an die Brust gedrückt.
„Wir bringen ihn zu einem Arzt, ich rufe ihn vom Hubschrauber aus an.“
Eigentlich hätte sie das beruhigen sollen, stattdessen brach nun der Damm, und ihr Weinen nahm sintflutartige Ausmaße an.
Er erinnerte sich nicht mehr, was er Blanche sagte – ob er überhaupt mit ihr redete. Auch hatte er keine Ahnung, wie er in den Helikopter gekommen war, aber als sie abhoben und zum Club flogen, wusste er, dass sich etwas verändert hatte.
Oft änderten sich Dinge über Jahre in einem schleichenden Prozess, sodass man am Ende nicht bemerkte, dass eine Wandlung
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