Die Entscheidung
sich ihre Killerinstinkte entwickelten.
Es war nicht zu leugnen, dass Halbdämonen ausgezeichnete Kämpfer abgaben, was sie jedoch nicht automatisch zu Mördern machte. Worauf es ankam, war, welche Seite gefördert wurde.
Blanche wurde nicht schlau aus dem Engel, der sein Blatt nicht offenbarte. Im Grunde wusste sie nicht mal, welches Spiel er spielte. Im Pokern war er jedenfalls Spitze, das stand mal fest.
Als sie den Mund öffnete, um Andrej nach Miceals Plänen auszuquetschen, vibrierte ihr Telefon – war ja klar.
„Wo steckst du, dannazione?“
Enzo – na toll. Sie machte sich nicht die Mühe ihn zu fragen, woher er ihre Nummer hatte, das wäre die reinste Zeitverschwendung.
„Ich bin beschäftigt“, schnauzte sie und war im Begriff, das Gespräch zu beenden, als er „Aspetta!“, rief. Warte!
Die Verzweiflung in seiner Stimme ließ sie innehalten. Das klang nicht nach Enzo, Mr. Superboss, der die Weltherrschaft anstrebte, und wenn das nicht funktionierte, dann zumindest die von Paris.
„Was willst du?“, fragte sie leiser und lauschte seinem schweren Atem.
„Antonella ist verschwunden.“
Oh nein, bitte nicht.
„Sie ist ganz allein da draußen, du musst sie finden“, fuhr er mit belegter Stimme fort. Lag ihm am Ende wirklich etwas an ihrer Freundin? Kaum zu glauben, dass Enzo einen Schwachpunkt hatte, und dass ausgerechnet Nella diese Schwäche in seiner dunkelsten Stunde offenbarte.
„Wo hast du sie verloren?“
„In der Nähe der Pont Neuf.“
Sie sparte sich Fragen wie: „Was hatte sie da zu suchen?“ oder „Wo waren ihre siebenunddreißig Aufpasser?“
Offensichtlich hatte jemand im Hauptquartier Scheiße gebaut, und um ehrlich zu sein, war sie froh, dass Enzo sich an sie wandte.
„Wann hattest du den letzten Kontakt zu ihr?“
Sie hörte ihn geräuschvoll ausatmen.
„Vor zwanzig Minuten. Sie sollte am Steg der Vendettes auf uns warten, aber wir können sie nicht finden.“ Er schluckte geräuschvoll, und sie konnte förmlich sehen, wie er sich mit der Hand durchs Gesicht fuhr.
„Blanche, auf der Brücke ist überall Blut“, flüsterte er.
Shit, shit, shit!
„Ich bin unterwegs“, sagte sie, doch noch einmal hielt er sie davon ab, aufzulegen.
„Blanche! Wenn du sie mir lebend bringst, kannst du von mir haben, was du willst, capito? Egal was, es gehört dir.“
„Verdammt noch mal, Enzo!“, blaffte sie. „Ich werde sie finden, aber bestimmt nicht für dich. Sie ist meine Freundin, ich tue das für mich.“ Sie beendete das Gespräch, und spielte mit dem Gedanken, das Telefon an der Wand zu zertrümmern, überlegte es sich jedoch anders. Stattdessen rutschte sie aus der Nische, ging zur Glasfront des Restaurants und dachte nach. Sie brauchte ein Fahrzeug, und zwar ein verflucht schnelles. Jetzt über die Dächer zu hüpfen, konnte sie vergessen, dazu musste sie zu nahe ins Auge des Orkans, immerhin suchten ganze Polizeieinheiten plus ein beschissener Militärkonvoi das Viertel nach ihr ab. Warum musste sie sich um alles selbst kümmern? Hatte Enzo nicht genug Leute, um auf Nella aufzupassen?
Fokussiere dich!
Im Geiste gab sie sich eine Kopfnuss.
„Kann ich dir bei irgendwas helfen?“, riss Andrej sie aus ihrem Mantra. Sie rieb das Kinn an der Schulter und seufzte leise. „Du hast nicht zufällig einen fahrbaren Untersatz in der Nähe?“
Das breite Lächeln war ihr Antwort genug. Endlich ein Glückstreffer.
8
E s war wie in alten Zeiten, nur dass sie diesmal als Team zusammenarbeiteten. Andrej saß vor ihr auf einer BMW 1300, auch bekannt als Abfangjäger. Die 175 PS unter ihr fühlten sich wie 300 an, und dem kehligen Sound nach zu urteilen, dachte das Bike das gleiche. Wie ein geölter Blitz flogen sie aus dem Parkhaus des Theaters und landeten auf dem Cours Albert, der Hauptstraße parallel der Seine, auf der sie Richtung Osten entlangflogen. Bei der routinierten Schnelligkeit, mit der Andrej die Maschine kurzgeschlossen hatte, fragte sie sich, was er sonst noch draufhatte. Denn oh Mann, er war gut geworden. Offensichtlich stellten selbst elektronische Schlösser kein Problem für ihn dar. Einen Hubschrauber konnte er auch fliegen. Er war fleißig gewesen, so viel wusste sie bereits nach der kurzen Begegnung.
Schnell ließen sie den Champs hinter sich und bretterten die Strecke am Kai entlang, die sie vor einer Dreiviertelstunde hinter sich gelassen hatten. Der eisige Wind schnitt ihr in Hände und Gesicht, doch sie genoss den Schmerz, er
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