Die Entscheidung
ruhig wie ein Teich.
Nur der AuÃenbordmotor des Bootes störte den Frieden, als sie fünfzehn Kilometer vom malaysischen Festland entfernt an den unverseuchten Stränden von Langkawi Island unter dichten Wäldern übers Wasser brausten. Nach dreizehn Stunden in einer 747 war Kyle erledigt und konnte es kaum erwarten, zu duschen und saubere Sachen anzuziehen.
»Wie lange noch?«, fragte er Aizat, den jungen Kapitän des Bootes.
»Fünfzehn oder zwanzig Minuten«, antwortete der Malaie.
Kyle schätzte Aizat auf ebenfalls etwa fünfzehn Jahre, vielleicht ein wenig älter. Mit ausgefransten Shorts, schulterlangem Haar und einem fleckigen Jimi-Hendrix-T-Shirt
bewegte er sich völlig sicher auf dem Boot. Das Schwanken schien er gar nicht zu bemerken, während er zwischen den Bänken, Seilen, Benzinkanistern und dem Angelzeug hin und her lief, ohne auch nur einen Blick nach unten werfen zu müssen.
»Ist das dein Handy?«, fragte Aizat.
Kyle zog sich an der Bordwand hoch und holte ein Nokia aus einer Regenjacke, die zu seinen FüÃen zusammengerollt dalag.
»Hallo«, meldete er sich und bereute sofort, nicht erst auf dem Display nachgesehen zu haben, wer anrief.
»Du verdammter Verräter!«, tobte Lauren Adams wütend. »Ich dachte, wir wären ein Team!«
Lauren war zehn Jahre alt und hatte die höllische Strafarbeit aufgebrummt bekommen, Abwassergräben auszuheben, weil sie Trainer Norman Large mit einem Spaten attackiert hatte. Kyle war zu derselben Strafe verdonnert worden, wegen Marihuanarauchens auf seiner letzten Mission.
»Lauren, hör zu«, beruhigte sie Kyle. Aber sie lieà ihn gar nicht zu Wort kommen.
»Ich fasse es nicht, dass du dich einfach heimlich davonmachst. Jetzt sitze ich allein den ganzen Tag hier drauÃen, bis zur Taille im stinkenden Dreck, und kann nicht mal mit jemandem reden!«
Kyle hatte ein schlechtes Gewissen. »Hör zu, Lauren«, erklärte er. »Es war am Weihnachtsmorgen. Ich bin nach oben gegangen, nachdem wir unsere Geschenke geöffnet hatten, und da hat Meryl Spencer
dringend jemanden gesucht, der nach Malaysia fliegen kann, weil einer der Trainer krank geworden war. Aber wegen Weihnachten wollte niemand gehen, also hab ich die Chance genutzt, um mich vor den letzten beiden Wochen des Herumbuddelns zu drücken.«
»Schön für dich, Kumpel «, giftete Lauren, und Kyle fühlte sich noch schuldiger.
»Ich hätte es dir sagen sollen, Lauren. Aber ich musste auf der Stelle den Koffer packen, in ein Auto steigen und nach Heathrow fahren. Ich wusste, dass du dich ärgern würdest, und ich wollte dir nicht das Weihnachtsfest versauen. Aber ich wette, wenn du die Chance gehabt hättest, deiner Strafe zu entgehen, hättest du sie auch nicht sausen lassen.«
»Vielleicht«, seufzte Lauren. »Aber ich hätte es zumindest mit dir abgesprochen.«
»Ich weiÃ, wir hatten echt SpaÃ, aber deine Strafe dauert auch nicht länger, nur weil ich nicht da bin.«
»Aber ich bin so müde«, beschwerte sich Lauren. »Deine Witze waren das Einzige, was mich über Wasser gehalten hat.«
»Wenn ich wiederkomme, bringe ich dir was Hübsches mit, okay? Oh, und sag James, dass meine Notizen zu Ein Inspektor kommt vom letzten Jahr in der grauen Schachtel unter meinem Schreibtisch liegen, falls er sie braucht.«
»Gut«, maulte Lauren. »Aber versuch wenigstens, die ganze Sache nicht allzu sehr zu genieÃen.«
Kyle legte auf, sah zur Insel hin und erblickte an dem
weiÃen Sandstrand ein luxuriöses Hotel mit Dutzenden von groÃen Hütten, die durch eine Kette von schwankenden Pontons miteinander verbunden waren. Von den Balkonen der eleganten Zimmer konnte man direkt ins warme Salzwasser springen.
»Das sieht ja groÃartig aus«, fand Kyle.
Aizat verzog zornig das Gesicht. »Wenn es nach dem Gouverneur geht, sieht bald die ganze Insel so aus.«
Kyle wusste nicht, was er antworten sollte, und entschied, dass dies wohl eine jener Situationen war, in denen man am besten den Mund hielt.
Ihr Ziel war ein Strand an der äuÃersten Nordwestspitze von Langkawi. Hinter einem mickrigen müllübersäten Sandabschnitt lag das schäbige zweistöckige Starfish Hotel. Die weiÃe Farbe blätterte bereits ab und unter verblichenen Sonnenschirmen standen klapprige Plastikmöbel.
Ein Mädchen in Shorts und
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