Die Entscheidung
stieà Aizat ärgerlich hervor. »Fünf Sterne, Klimaanlage, drei Restaurants, zwei Pools. Ich lerne ganz gut Englisch, wenn ich also Glück habe, geben sie mir einen Job als Tellerwäscher oder Kloputzer, wenn es eröffnet. In der Zwischenzeit saufen die Bauleute unsere Brunnen
leer, werfen Müll ins Meer und bringen unsere Fische um.«
»Klingt ziemlich heftig«, sagte Kyle, als er in die Hütte trat. »Könnt ihr euch nicht irgendwo beschweren?«
Statt einer Antwort grunzte Aizat nur verächtlich.
In der Hütte war es überraschend kühl. Aizats achtjährige Schwester Wati kuschelte auf einem groÃen Kissen und lauschte ihrem Walkman. Ãberall lagen Fotos und anderes Zeug verstreut, und auf dem Boden befand sich einer der AuÃenbordmotoren von Aizats Boot mitten in einem Dutzend öliger Einzelteile. Das Highlight war ein FuÃballtrikot, das an der hinteren Wand hing.
»Ein Arsenal-Fan«, stellte Kyle fest.
»Der gröÃte«, nickte Aizat und strahlte. »Neunundvierzig Spiele ohne Niederlage. Siehst du auch FuÃball?«
»Nicht viel«, schüttelte Kyle den Kopf. »Aber mein Kumpel James ist ein totaler Arsenal-Fan. Ihr würdet euch wahrscheinlich gut verstehen.«
»Hier, bitte«, grinste Aizat, nahm eine grüne Weinflasche aus dem Regal, zog den Korken heraus und goss eine dicke cremefarbene Flüssigkeit in zwei Becher.
Kyle nahm den Becher  â mit einem Garfield-Cartoon darauf  â und roch vorsichtig daran. »Ist das Bier?«
»Ich nenne es nur so«, antwortete Aizat und nahm einen groÃen Schluck.
Kyle nahm einen kleinen Schluck. Daraufhin stieg ein Gefühl in seiner Kehle auf, als hätte ihn eine Wespe gestochen, gemischt mit dem schärfsten Chili, das er je gegessen hatte.
»Du liebe Zeit!«, stieà er hervor, seine Stimme nur noch ein Krächzen. »Das ist flüssiges Feuer!«
Aizats Schwester nahm den Kopfhörer ab und brüllte vor Lachen, als sie sah, dass Kyle knallrot wurde, sich den Bauch hielt und keuchend hustete.
»Gut, was?«, strahlte Aizat. »Einer meiner Onkel ist blind geworden, nachdem er das getrunken hat.«
»Das wundert mich gar nicht«, krächzte Kyle. »Ich hab das Gefühl, mein ganzer Kopf brennt.«
Dennoch wagte Kyle einen zweiten Schluck, doch den Rest würde er auf keinen Fall mehr hinunterbringen. Aizat hatte seinen eigenen Becher bereits ohne mit der Wimper zu zucken geleert, griff nun nach Kyles und trank ihn in drei schnellen Schlucken aus.
»Du wirst dich wieder betrinken«, warnte Wati.
»Wer hat dich denn gefragt?«, rief Aizat zurück und warf mit dem Kunststoffbecher nach seiner Schwester. »Du sitzt den ganzen Tag auf deinem faulen Hintern, während es hier aussieht wie im Schweinestall!«
Das Mädchen streckte Aizat die Zunge heraus, hob dann seinen Kopfhörer wieder auf und verschwand durch einen Vorhang in einem Nebenraum. Kyle hatte sich inzwischen etwas erholt und betrachtete überrascht die Bücherregale, in denen er erstaunlich viel anspruchsvolle Literatur fand: Marx, Freud, Kafka und
andere hochkarätige Schriftsteller, hauptsächlich auf Englisch.
»Sind das alles deine Bücher?«, fragte Kyle.
Aizat nickte. »Ich lese gerne. Ich habe auch viele Brieffreunde. Einen in China, ein Mädchen aus Italien, einen Jungen in den USA. Der ist echt cool. Wir schreiben uns, seit wir sieben waren, und er brennt mir CDs mit den neuesten Hits. Magst du die Foo Fighters?«
»Mehr oder weniger«, meinte Kyle achselzuckend. Er warf einen Blick auf die Uhr und stellte sich vor, wie Mr Large ihn anschreien würde, wenn er zu spät kam und nach Alkohol stank.
»Einen englischen Brieffreund hätte ich auch gerne«, erzählte Aizat. »Aber ihr sagt immer Nein.«
»Wer sagt Nein?«
»Mr Large kommt jedes Jahr ein oder zwei Mal her. Er bringt immer neue Kinder für die Dschungelexpedition mit. Aber wenn ich einen von ihnen bitte, mein Brieffreund zu werden, lehnen sie immer ab.«
Kyle wusste, warum. Cherubs war es verboten, während der Grundausbildung mit AuÃenstehenden zu sprechen, und Large würde durchdrehen, wenn er im Gepäck der Kids die Adresse eines Fremden fand.
Aber Kyle war kein Auszubildender mehr und er fand Aizat süÃ.
»Ich könnte dein Brieffreund sein«, bot er an. »Ich kann zwar nicht versprechen,
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