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Die Entscheidung

Die Entscheidung

Titel: Die Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa J. Smith
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eine Toilette, und sie war offen. Jenny rubbelte ihre Jeans ab, so gut sie konnte. Die Windjacke warf sie sofort in den Müll, zusammen mit ihrem feuchten Pullover. Immer wieder wusch sie sich Hände und Gesicht, dann stand sie vor dem Handtrockner und versuchte, ihre Hemdbluse und ihre Jeans trocken zu bekommen.
    Als Jenny und Dee den Eingang zu den Toiletten bewachten, während Michael und Audrey sich wuschen, fiel Jennys Blick auf eine ausgetretene Zigarettenkippe auf dem Boden. Sie starrte sie mehrere Minuten lang an. Bis ins Detail, dachte sie. Julian hat hier alles realistisch bis ins kleinste Detail nachgebildet.
    Was leider nicht bedeutete, dass nicht hinter jeder Ecke eine abscheuliche, surreale Überraschung lauern konnte. Sie waren erst seit einer halben Stunde hier, und trotzdem wäre eine von ihnen beinahe gestorben. Es war Julians Terrain. Alles, was er hier erschuf, wirkte real – zumindest real genug, um sie alle in Todesangst zu versetzen. In der Schattenwelt war er der Herr. Jenny
hatte das unheimliche Gefühl, dass hier ihre schlimmsten Albträume wahr werden würden. Ihre schlimmsten Vergnügungspark-Albträume …
    Und wir haben Julian noch nicht einmal gesehen, dachte sie. Er muss hier irgendwo sein und sich kranklachen über uns.
    Als sie sich auf den Weg zu der Goldmine machten, sagte Audrey plötzlich: »Ich höre Musik.«

Die Musik schien aus einer fernen Ecke des Parks zu kommen – irgendwo hinten, vielleicht in der Nähe der Spielhalle. Für einen Moment sah Jenny Lichter durch die Bäume schimmern. Aber die Karusselle, an denen sie vorbeigekommen waren, lagen dunkel und still da. Ebenso wie die erstarrten Autoscooter; Jenny drang ein Hauch von Grafit in die Nase, mit dem der Metallboden glatt gehalten wurde.
    Was haben Vergnügungsparks nur an sich?, dachte sie, als das massive Gerüst einer Achterbahn die Sterne ausblendete. Warum bekommt man davon Albträume?
    Sie haben etwas Mystisches, stellte Jenny fest. Zumindest einige von ihnen – natürlich nicht die neuen, modernen Hightech-Parks, die auf Jenny völlig steril wirkten, sondern die älteren. Von ihnen ging etwas Geheimnisvolles, Bedeutungsvolles aus. Etwas, das über das hinausging, was das bloße Auge sehen konnte.
    Die Lichter vor ihnen funkelten wie Trugbilder; Jenny und die anderen schienen ihnen nicht näher zu kommen. Die Musik war so schwach, dass sie die Melodie nicht erkennen konnten.
    Dann hörten sie ein neues Geräusch, Klatsch-Tapp,
Klatsch-Tapp, wie schnelle Schritte von nackten Füßen. Dee wirbelte sofort herum. Jenny umklammerte Toms Messer. Noch vor einer Stunde hätte sie Angst gehabt, mit einem offenen Messer herumzulaufen – aber jetzt hatte sie Angst davor, es nicht zu tun.
    Vier Taschenlampen glitten über die gepflegten Büsche, ohne etwas Unheimlicheres als eine aus Blumen arrangierte Uhr zu entdecken. Dann rief Michael: »Dort!«
    Auf der anderen Seite der Büsche huschte etwas über einen Pfad. Die Lichtkegel der Taschenlampen umfingen eine schieferfarbene Gestalt. Sie bewegte sich zu schnell, als dass Jenny sie hätte erkennen können, aber sie hatte den Eindruck, dass es etwas sehr Kleines und furchtbar Entstelltes war. Wie ein vertrockneter grauer Fötus.
    Es verschwand hinter – oder in – der »Peitsche«, einer kleinen Achterbahn.
    »Sollen wir ihm folgen?«, fragte Dee.
    Dee fragte? Sie muss halb tot sein, dachte Jenny. Laut sagte sie: »Nein. Es stört uns nicht, und wir sind noch nicht bewaffnet. Lasst uns zuerst zu dieser Goldminenbahn gehen.«
    »Aber was war das?«, fragte Audrey.
    »Es sah aus wie ein Affe«, antwortete Michael.
    »Es war klein«, sagte Jenny – und dann fiel ihr etwas ein. Ihr Traum. Der kleine Mann im Aufzug, der Mann mit der Maske.
    Können wir dich mitnehmen? Wir können dich tragen.

    Auch Schattenmänner würden vielleicht etwas Derartiges fragen – aber das verhutzelte Ding konnte kein Schattenmann gewesen sein. Schattenmänner waren beängstigend, herzzerreißend schön.
    »Was auch immer es war, wir sollten besser aufpassen«, meinte Dee. »Es könnte noch mehr davon geben.«
    Als sie die Goldminenbahn erreichten, war sie ebenso dunkel und verlassen wie alles andere. Jennys Taschenlampe erfasste den freistehenden Steuerkasten mit seinen kleinen Lichtern und Schaltern.
    »Aber das brauchen wir doch nicht zu benutzen, oder?«, fragte Michael.
    »Nein, ich glaube nicht«, sagte Jenny. Sie betrachtete den Miniaturzug aus Grubenwagen hinter sich, der

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