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Die Entscheidung

Die Entscheidung

Titel: Die Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa J. Smith
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vorhin – vielleicht hatte der Boden sich wirklich bewegt …
    Die anderen setzten sich wie begossene Pudel in Bewegung. »Wenn wir wirklich in die richtige Richtung gehen«, sagte Dee leise, »müssten wir bald diesen Goldgräber mit den Ameisen im Gesicht sehen.«
    Aber sie sahen ihn nicht.
    Die rechte Wand blieb leer – und sie schien näher zu kommen. Der Knoten in Jennys Magen verhärtete sich. Dieser Ort glich immer weniger einem Abenteuertunnel, sondern mehr und mehr einem echten Bergwerksstollen.
    Es war fast eine Erleichterung, als sie tatsächlich auf den Beweis dafür stieß. Sie umrundete eine sanfte
Kurve – und sah mitten auf den Gleisen einen Erzwagen stehen.
    Einen echten Erzwagen – zumindest soweit Jenny das beurteilen konnte. Er war zwischen einem Meter zwanzig und einem Meter fünfzig lang mit abgerundeten Ecken und stabilen Rädern. Er roch nach verrostetem Eisen – wie ein Hexenkessel, dachte Jenny –, und es gab ein leichtes Echo, als sie sprach, während sie sich über den Wagen beugte.
    »Das hier ist kein Teil der Goldminenbahn«, stellte sie fest.
    Dee versuchte, den Wagen an einem vorne angebrachten Haken zu ziehen. Er schepperte, bewegte sich aber kaum.
    Mit einem Mal verspürte Jenny den wilden Drang, in den Wagen hineinzuspringen und sich dort zu verstecken.
    Langsam sah sie zu den anderen hin.
    Michaels Taschenlampe beleuchtete Audreys Haar von hinten und bescherte ihr einen kupferfarbenen Heiligenschein. Dee war ein schlanker schwarzer Schatten an Jennys Seite. Jenny brauchte ihre Gesichter nicht zu sehen, um zu wissen, was sie empfanden.
    »Okay, wir stecken also in Schwierigkeiten«, sagte sie. »Wir hätten es uns wirklich denken können. Also, wessen Albtraum ist das?«
    Der schlanke schwarze Schatten ließ schimmernde
weiße Zähne aufblitzen. »Meiner, schätze ich. Ich liebe geschlossene Räume nicht besonders.«
    Jenny war überrascht. Als sie das letzte Mal in einer Höhle gewesen waren, hatte sie gar nicht bemerkt, dass Dee damit Probleme hatte – andererseits hatte sie ihre Aufmerksamkeit damals auch fast ausschließlich auf Audrey gerichtet.
    »Ich leide nur ein ganz klein wenig unter Klaustrophobie. Ich meine, ich erinnere mich nicht an irgendwelche Träume oder so. Aber« – Dee stieß den Atem aus – »wenn ihr mich nach der schlimmsten Art zu sterben gefragt hättet, hätte ich einen Höhleneinsturz an erste Stelle gesetzt.«
    »Oh Gott, müssen wir uns tatsächlich darüber Sorgen machen? Über die schlimmsten Arten zu sterben?«, explodierte Michael. »Ich kann bald ein ganzes Buch damit füllen.«
    »Ich frage mich, wovor ich am meisten Angst habe«, sagte Audrey ziemlich emotionslos. »Schmerz? Starke Schmerzen?«
    Jenny wollte nicht darüber nachdenken. »Wir müssen zurück und den Gleisen in die andere Richtung folgen. Das ist unsere einzige Chance.«
    Auf dem Rückweg hätte der Stollen eigentlich wieder breiter werden müssen. Aber er wurde nicht breiter. Stattdessen zogen die Wände sich so eng zusammen, dass Jenny die unregelmäßigen Felsvorsprünge mit den Fingerspitzen
hätte berühren können. Die Decke wurde immer niedriger, bis sie Jennys Haar streifte.
    Sie nahm die Taschenlampe und ihr Werkzeug in die eine Hand und betastete mit der anderen die Höhlenwand. »Eindeutig kein Fiberglas«, murmelte sie.
    Sondern Stein – überraschend schöner Stein. Jenny konnte die milchig weißen und orangefarbenen Maserungen erkennen, deren Palette von hellem Apricot bis hin zu rostig gebranntem Siena reichte. Und in dem Ganzen funkelten Millionen von winzigen Nadelstichen aus Quarz.
    »Erz«, sagte Michael. »Ihr wisst schon, die Sorte, in der man Gold findet.«
    »Dieser Park ist über einem ehemaligen Kohlebergwerk angelegt worden«, erinnerte Jenny sich. »Überall in der Gegend wurde Kohle abgebaut – aber das war im 19. Jahrhundert.«
    »Hier haben wir es aber mit einer anderen Art von Bergwerk zu tun«, bemerkte Michael. »Wir befinden uns in einer echten Goldmine.«
    Sie waren umgeben von Fels – rauem, unregelmäßigem Felsgestein. Wie in einer Burg, fand Jenny. Während sie weiterliefen, spürte Jenny den Druck der Felsen um sie herum immer stärker. Sie befanden sich in einem endlosen unterirdischen Stollen aus Orange, Braun und Schwarz.
    Und es war kalt. Jetzt wünschte sie, sie hätte ihren Pullover nicht weggeworfen.

    Dee ging mit hängenden Schultern einen Schritt vor ihnen. Sie tat Jenny leid.
    Als die erste Einmündung kam,

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