Die Entscheidung
eine Seite der Spitze mündete in einer Art stumpfem Dorn, so lang wie Jennys kleiner Finger, die andere war flach und dreieckig.
Ob das Ding zum Schaufeln gedacht ist?, fragte Jenny sich.
Dee bewegte das Werkzeug nach oben und unten und versuchte, es dem losen Griff des Goldgräbers zu entwinden. Der Goldgräber, dessen Hutkrempe schlaff herunterhing, stand teilnahmslos da.
»Hier ist etwas, das mir gefällt«, sagte Audrey entschlossen. Sie hatte eine beidseitig geschärfte Axt gefunden.
Dee schüttelte den Kopf. »Zu dünn. Siehst du, dass die Schneide nur mit Rohleder an den Griff gebunden ist? Das hält wahrscheinlich nicht.« Endlich gelang es ihr, das Werkzeug aus der Hand des Goldgräbers zu lösen, und hielt es triumphierend hoch. »Also, das ist eine Waffe.«
Michael hatte ein eisernes, gabelähnliches Ding mit sechs schweren, gebogenen Zinken gefunden. »Nightmare on Elm Street«, kommentierte er.
Jenny steckte Toms Schweizer Armeemesser in ihre Jeanstasche, klemmte sich die Taschenlampe zwischen die Zähne und griff selbst nach einem Werkzeug. Es hatte einen kurzen Holzgriff und eine etwa zwölf Zentimeter lange eiserne Spitze. Sie konnte nicht erkennen, ob es ein Hammer oder eine Axt war, aber es fühlte sich gut an in ihrer Hand, und sie schwang es probehalber ein paarmal hin und her.
In diesem Moment spürte sie, wie der Boden sich bewegte – oder hatte sie nur das Gleichgewicht verloren?
Jenny konnte es nicht mit Sicherheit sagen und hielt mitten in ihrer Bewegung inne.
»Habt ihr das auch gemerkt?«
Dee begutachtete die Art Bahnsteig, auf dem sie alle standen. »Ich glaube nicht, dass dieses Ding hier sehr stabil ist.«
»Ich hab nichts gespürt«, antwortete Michael.
Ein Schauder der Besorgnis überlief Jenny. Vielleicht war es nur der Bahnsteig – vielleicht war ihr einfach nur schwindelig –, auf jeden Fall war es Zeit, von hier zu verschwinden.
»Lasst uns zurückgehen.«
»Alles klar, Schätzchen«, sagte Dee und schwang sich ihre Hacke – oder was auch immer es war – auf die Schulter. Sie verließen die Szenerie und kletterten den Bahnsteig herunter; Kieselsteine klapperten auf die Gleise.
»Immer den Gleisen nach«, sagte Michael und schwenkte seine Taschenlampe.
Dann können wir uns nicht verirren, beendete Jenny seinen Satz im Stillen. Wir verirren uns nicht. Alles wird gut.
Aber warum fühlte sie dann einen Knoten der Angst in ihrem Magen?
Michael ging voran und summte vor sich hin: »Another town, another train …« Plötzlich hielt er inne.
»He. Was zum – he!«
Jenny sog die Luft ein. Ihre Brust fühlte sich wie zugeschnürt an, während sie sich an Audrey vorbeidrängte.
Michael starrte verwirrt auf seine Füße hinab. Jenny wusste sofort, was das Problem war.
Die Eisenbahngleise teilten sich.
»War das vorher auch schon?« Jenny leuchtete zuerst in die eine Richtung, dann in die andere. Und in beiden sah es gleich aus: Metallgleise führten über dicke Holzbretter.
»Nein. Sie haben sich nicht geteilt. Das wäre mir aufgefallen« , stellte Dee entschieden fest.
Audrey ließ ihre Axt mit einem dumpfen Aufprall fallen. »Aber aus unserer Richtung hätte es auch nicht ausgesehen wie eine Teilung. Sondern wie das Aufeinandertreffen von zwei Gleisen.«
»Teilen oder aufeinandertreffen, es spielt keine Rolle. Es wäre mir aufgefallen.«
»Aber es wäre hinter uns gewesen. In der Dunkelheit …«
»Es wäre mir aufgefallen!«
»Hey, Jungs …«, begann Michael und machte mit seinem Gabelwerkzeug und seiner Taschenlampe das Zeichen für eine Auszeit. Was nichts nutzte. »Jungs …«
»Ich bin kein Junge«, blaffte Audrey ihn an und drehte sich sofort wieder zu Dee um. Es spielte keine Rolle mehr, worum es bei dem Streit eigentlich ging – es war ein klassischer Dee-Audrey-Clinch.
»Oh, na schön, schrei mich ruhig auch noch an …«, begann Michael.
»Halt verdammt noch mal den Mund – haltet alle den Mund!«, schrie Jenny.
Verblüfft verstummten alle.
»Seid ihr denn völlig verrückt?! Wir haben keine Zeit, uns zu streiten. Wir dürfen keine Zeit verlieren. Vielleicht haben sich die Gleise bereits auf dem Hinweg geteilt, vielleicht auch nicht, aber wir sind an dieser Wand entlanggekommen.« Sie zeigte nach rechts. »Also werden wir in diese Richtung gehen; der Weg müsste nach draußen führen.«
Allerdings war sie sich darüber im Klaren, dass nichts so war, wie es sein müsste, wenn Julian seine Hände im Spiel hatte. Dieses Beben
Weitere Kostenlose Bücher