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Die Entscheidung der Hebamme

Die Entscheidung der Hebamme

Titel: Die Entscheidung der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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entschied Gerolf sofort.
    Nacheinander blickte Christian seine Mitstreiter noch einmal an und schob den Gedanken beiseite, dass dort vorn der Tod auf sie lauern konnte. »Bereit?«
    Die anderen nickten. Christian griff nach Marthes Kreuz, das er unter dem Gambeson trug, und sprach ein stummes Gebet.
    Dann nahm er die Zügel straff in die Linke, zog das Schwert mit der Rechten und trieb seinen Rappen mit einem lauten Ruf voran. Die anderen folgten ihm, die Körper dicht über die Hälse ihrer Hengste gebeugt, in der gleichen engen Formation wie zuvor in scharfem Galopp.
    Christian hatte recht mit seiner Vermutung. Kaum hatten sie ein paar Pferdelängen Wegstrecke hinter sich gelassen, sahen sie die Geschosse auf sich zukommen. Es mussten Armbrustbolzen sein, für einen Pfeilschuss war die Entfernung noch zu groß.
    Die Bolzen rauschten über sie hinweg und schlugen dicht hinter ihnen in den Boden. Mit einem kurzen Blick vergewisserte sich Christian, dass niemand verletzt war, und trieb sein Pferd weiter voran. Zum Nachdenken blieb nicht viel Zeit, sein Instinkt und seine Erfahrung sagten ihm, dass die Angreifer nun zu den Bögen greifen mussten, weil das Nachspannen der Armbrüste zu viel Zeit kostete.
    Richtig, kaum waren sie auf Pfeilschussnähe heran, gingen die nächsten Geschosse auf sie nieder.
    Unter anderen Umständen wären ihre Erfolgsaussichten größer gewesen, würden sie mehr Abstand zueinander halten und nicht ein einziges, kompaktes Ziel bilden. Aber sie hatten Dietrich zu schützen.
    »Dichter zusammen!«, schrie Christian. Im nächsten Augenblick fühlte er einen wuchtigen Schlag gegen das rechte Schlüsselbein und hätte vor Schmerz beinahe sein Schwert fallen lassen. Mit zusammengebissenen Zähnen ritt er weiter, doch er konnte ein qualvolles Stöhnen nicht unterdrücken, als er sich wieder umdrehte, um zu sehen, ob ihre Gruppe noch beieinander war, so sehr schmerzte die Bewegung.
    Der Wald war nur noch einen Steinwurf entfernt; die Gegner mochten jeder noch Gelegenheit für ein oder zwei Pfeilschüsse haben, diese aber aus nächster Nähe. Christian fasste sein Schwert fester und versuchte, den höllischen Schmerz zu ignorieren.
    Sie passierten die Stelle, hinter der die Angreifer lauern mussten, ohne dass sich einer der Schützen blicken ließ.
    Christian hörte jemanden hinter sich aufschreien und warf einen kurzen Blick zurück. Lukas hing mit schmerzverzerrtem Gesicht schief über dem Rücken seines Braunen.
    »Schneller!«, schrie Christian. Zwei Meilen vom Hinterhalt entfernt ließ er seinen kleinen Trupp halten. Sie waren noch zu fünft, und wie durch ein Wunder war keines der Pferde verletzt. Aber ein Pfeil hatte Lukas übel in den Rücken getroffen. Der Länge des Schaftes nach, der noch herausragte, musste er tief eingedrungen sein. Lukas selbst war kreidebleich und atmete nur noch flach.
    »Kannst du weiterreiten?«, fragte Christian besorgt.
    »Hab ich eine Wahl?«, keuchte der Freund mit dem schmerzverzerrten Versuch eines Grinsens.
    Raimund ritt heran und griff nach den Zügeln von Lukas’ Pferd. Halb bewusstlos ließ sich der Blondschopf auf den Pferderücken sinken.
    Christian versuchte, den Pfeil herauszuziehen, der in seinen eigenen Oberkörper eingedrungen war. Als das nicht gelang, brach er ihn kurzentschlossen mit einem Ruck ab. Für eine Weile tanzten Sterne vor seinen Augen. Auch wenn der Feldscher dadurch den Pfeil vielleicht nicht mehr so einfach zu entfernen vermochte – er konnte nicht weiterreiten, wenn der Schaft zwei Handspannen herausragte und bei jeder Bewegung federte, so dass sich die Pfeilspitze immer stärker durch sein Fleisch wühlte.
    Er warf noch einmal einen Blick zurück. Niemand schien sie zu verfolgen. Die Angreifer würden nicht schnell genug durch das Unterholz kommen, um sie zu überholen und ihnen noch einmal aufzulauern. Ein zweiter Hinterhalt schien ihm unwahrscheinlich. Dafür war der Wald zu dicht, und dahinter würde schon Wichmanns Lager in Sicht sein.
    Sie konnten jetzt also langsamer reiten. Aber nicht zu langsam, denn Lukas’ Zustand bereitete ihm allmählich größte Sorge.
     
    Als sie sich dem Heerlager von Wichmann und seinen Verbündeten näherten, erkannten sie schon von weitem, dass sich nichts grundlegend geändert hatte, seit sie vor zwei Tagen aufgebrochen waren. Es machte immer noch den gleichen trostlosen Eindruck ohne Aussicht auf Eroberung der Burg. Aus dem allgegenwärtigen Schlamm ragten verkohlte Balken – die

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