Die Entscheidung der Hebamme
seinen Truppen sein Land gegen die Eindringlinge zu verteidigen.«
Christian musterte ihn skeptisch. »Für jemanden, der einen Freund auf dem Krankenlager schützen sollte, musst du viel unterwegs gewesen sein, um dich umzuhören«, bemerkte er.
»Oh, ich wusste ihn in guten Händen.« Kuno grinste hinüber zu der Alten. »Ich dachte, Ihr wollt wissen, was geschehen ist.«
In seinem von Sommersprossen übersäten Gesicht war auf einmal nichts mehr von seiner üblichen Keckheit und Unbeschwertheit zu sehen. Er wechselte einen Blick mit der alten Grete, die ebenfalls sehr ernst wirkte.
»Tag für Tag sind neue Schauergeschichten nach Magdeburg gedrungen, durch die Menschen, die in die Stadt geflüchtet kamen, um wenigstens ihr nacktes Leben zu retten. Vielleicht ist nicht alles wahr, was sie in ihrer Furcht erzählen. Aber das, was ich Euch berichtete, hat sich so zugetragen. Ich habe mit ein paar Männern von diesem Gerolf gesprochen, der mit Euch zusammen den Brabanzonen entgegengeritten ist. Wer weiß, ob sie noch leben.«
Für einen Augenblick legte sich Stille über den Raum. Jeder hing seinen eigenen, düsteren Gedanken nach, was dieser Krieg ihnen und ihrem Dorf bringen würde.
Christian brach das Schweigen. »Wenn ihr gegessen habt, sollen sich Marthe und Grete Bertrams Bein anschauen. Morgen tretet ihr beide euern Dienst wieder an.«
Mit einem harten Blick brachte er Bertram zum Verstummen, bevor dieser etwas einwenden konnte, erhob sich brüsk und ging hinaus. Lukas folgte ihm.
Noch bevor Lukas den Hof betreten konnte, um mit Christian zu den Ställen zu gehen, kam ihm eine junge Magd entgegen, die anscheinend hier auf ihn gewartet hatte.
»Herr, darf ich Euch um etwas bitten?«, fragte sie mit sichtlich verlegener Miene, während ihre Hände den Saum ihrer Schürze kneteten.
Überrascht hielt Lukas inne, doch er nickte ihr aufmunternd zu. Raina hatte ihn noch nie um etwas gebeten, obwohl sie ihn seit einiger Zeit regelmäßig nachts in seiner Kammer besuchte.
Als Lukas nach seiner Rückkehr von der gescheiterten Belagerung Haldenslebens erfahren hatte, dass Lisbeth über Wochen Albrechts Lager geteilt hatte, brachte er es nicht mehr über sich, zu ihr zu gehen. Er wusste, dass er sie damit kränkte und ihr unrecht tat. Immerhin hatte sie es auf Marthes Bitte hin getan, um den Dorfbewohnern Unbill zu ersparen. Und schließlich war sie eine Hure – da sollte es ihn nicht stören, zu wissen, dass auch andere Männer sie aufsuchten. Doch in diesem Fall störte es ihn. Er wusste, wenn er wieder bei ihr liegen würde, wäre für ihn die Vorstellung übermächtig, wie Albrecht sie nahm. Irgendwie glaubte er sie beschmutzt durch den Mann, der ihnen allen noch das Leben schwermachen würde, sobald er erst über die Mark Meißen herrschte. Auch wenn Albrecht nach Gottes Ordnung einmal sein Dienstherr sein würde – Lukas sah in ihm einen Feind, mit dem er nichts teilen wollte, nicht einmal eine Hure.
Natürlich sprach sich herum, dass er plötzlich dem Hurenhaus fernblieb. Dennoch war Lukas verblüfft, als es in einer Winternacht ein paar Tage vor Weihnachten zaghaft an seiner Kammertür klopfte, Raina eintrat und nach kurzem Zögern mit einem Ruck ihr Kleid abstreifte. Unsicher, beinahe ängstlich, hatte sie damals auf ihn gestarrt, bis er aufgestanden war und auf sie zuging.
»Du musst frieren«, hatte er gesagt, und tatsächlich konnte er im Kerzenlicht erkennen, dass sich in der Kälte des Raumes auf ihren Armen eine Gänsehaut bildete.
»Werdet Ihr mich wärmen, so wie ich Euch Euer kaltes Bett wärmen möchte?«, hatte sie gefragt, wobei ihr Atem sich in kleine weiße Wölkchen verwandelte und ihre Augen um Zärtlichkeit bettelten.
Er hatte Raina bisher kaum wahrgenommen, sie arbeitete als Magd im Backhaus. Doch nachträglich wurde ihm bewusst, dass sie zu denjenigen gehörte, die ihn schon lange mit sehnsüchtigen Blicken verfolgten.
Und sie war hübsch: ebenso blond und mit leuchtend blauen Augen wie er, schlank und mit wohlgeformten Brüsten.
Also hatte er nicht länger gezögert und sie in sein Bett genommen. Das sollte er nicht bereuen.
Er war nicht ihr erster Liebhaber, was ihn in gewisser Weise beruhigte. Er wollte nicht derjenige gewesen sein, der ihr die Aussicht auf eine unbeschwerte Heirat verdarb. Doch bei den einfachen Leuten spielte die Frage der Unberührtheit der Braut bei weitem nicht die Rolle wie bei adligen Hochzeiten. Raina war voller Hingabe und dankbar für seine
Weitere Kostenlose Bücher