Die Entscheidung der Hebamme
leeren Zinnbecher zu seiner Frau hinüber.
Sie unterdrückte ein Lächeln über seinen widerwilligen Gehorsam.
»Aber wenn ich mich bei Wind und Wetter wieder für Wochen in den Sattel quäle, sollen mich Christian und sein Weib begleiten, damit diese Marthe unterwegs etwas gegen meine Schmerzen unternehmen kann«, knurrte er.
»Eine gute Entscheidung, mein Gemahl«, lobte Hedwig erleichtert.
Sie war nicht nur besorgt gewesen, Otto könnte aus Groll über die Entscheidung des Kaisers dem Hoftag fernbleiben, weil das seine Position unweigerlich schwächen würde. Sie wollte auch dabei sein, wenn ihr Bruder Siegfried endlich das Erzbistum Bremen zugesprochen bekam, das ihm schon so lange zugestanden hätte. Vor allem aber hoffte sie auf eine Gelegenheit, sich in Gelnhausen heimlich mit ihrem Geliebten treffen zu können.
Sie zögerte einen Moment, zu fragen, ob wohl ihr jüngster Sohn mit ihnen reisen würde. Wenngleich sie einen erneuten Zusammenstoß mit Albrecht befürchtete, der sich inzwischen wieder dem Gefolge des Königs angeschlossen hatte und mit Sicherheit am Hoftag teilnehmen würde, wollte sie ihren Jüngsten gern wiedersehen.
Doch Otto kam ihrer Frage zuvor. »Dietrich soll in Christiansdorf bleiben, das ist mein unumstößlicher Befehl«, erklärte er mit einem Blick, der jeglichen Einwand Hedwigs ersticken sollte. »Es ist noch längst nicht genug Gras gewachsen über seine unrühmliche Prügelei mit einem Ritter des Königs, auch wenn es sein eigener Bruder war, um ihn mit zu einem Hoftag zu nehmen, zu dem die wichtigsten Männer des Kaiserreiches kommen werden.«
»Wie Ihr wünscht, mein Gemahl«, hauchte Hedwig zu seiner Überraschung, nahm den leeren Becher und stand auf, um mit leichtem Schritt die Kammer zu verlassen. Sie würde schon jemanden finden, der Otto nahelegte, er könne seinen Sohn so unmittelbar vor einem Krieg nicht allein auf einer mäßig bemannten Burg lassen, während er deren Befehlshaber mit sich reiten ließ.
Warum kann sie nicht immer so folgsam sein?, dachte Otto, während er ihr nachsah. Nach den Streitereien der letzten Jahre und jener demütigenden Nacht, in der er sie auf Knien bitten ließ, ihrem jüngeren Sohn das Kloster zu ersparen, hatte sich ihr Verhältnis zueinander eindeutig verbessert, seit sie bei der Fehlgeburt fast gestorben war.
Zu seiner Überraschung machte es die Sache leichter, dass er ihr nachts fernbleiben sollte, weil sie nicht mehr schwanger werden durfte. So fühlte er sich nicht mehr unter Druck gesetzt, sich ihr im Bett beweisen zu müssen. An Gespielinnen fehlte es ihm nicht, wenn ihm danach war. Aber sie musste nun wegen des Makels, ihm keine Erben mehr gebären zu können, mehr Demut und Bescheidenheit an den Tag legen.
Eigentlich, so dachte Otto zufrieden, führen wir jetzt eine richtig gute Ehe.
Kaiserpfalz Gelnhausen, April 1180
Hedwig konnte sich nicht entsinnen, jemals einen Hoftag erlebt zu haben, bei dem so viel kaum verborgene Spannung in der von kostbaren Düften geschwängerten Luft lag wie bei diesem in Gelnhausen. Dabei hatten die meisten Anwesenden Jahre oder gar Jahrzehnte auf die Entmachtung des Löwen gewartet und sollten froh sein, dass der Kaiser nun endlich gewillt war, sie konsequent bis zum bitteren Ende zu betreiben. Otto an ihrer Seite schwitzte förmlich Zorn aus allen Poren, und ein Blick auf ihren ältesten Bruder verriet ihr, dass auch dieser bis zum Äußersten angespannt war.
Sie wagte es nicht, nach Dietrich von Landsberg zu sehen, verlor sich aber in dem Gedanken, ob sie sich hier wohl heimlich würden treffen können. Wie sehr sie seine Zärtlichkeiten und seine Kraft vermisste! So versank sie in Tagträumen, malte sich aus, wie seine Hände über ihren Körper glitten, wie seine Lippen sie an den empfindlichsten Stellen liebkosten, und spürte, wie ein Beben durch ihren Körper ging.
Die Stimme des Kaisers, nun mit Nachdruck erhoben, riss sie aus ihren Gedanken.
»Hiermit rufen Wir, der durch göttliche Gnade erhabene Kaiser, zur Reichsheerfahrt gegen Heinrich den Löwen, den einstigen Herzog von Sachsen und Bayern«, verkündete Friedrich Rotbart vor den Großen seines Reiches, die sich so zahlreich in der Halle versammelt hatten, dass kaum Platz blieb, um eine Nadel fallen zu lassen. »Sie soll am fünfundzwanzigsten Juli im Jahr der Menschwerdung des Herrn 1180 beginnen. Die Uns treu ergebenen Fürsten sind aufgerufen, an diesem Tag mit ihren Streitmächten anzutreten, um die Städte und Burgen
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